Eine neue Publikation »mit Eigensinn« in der Diogenes Tapir-Reihe. Foto: Martha Schoknecht (Herausgeberin).
Martha Schoknecht, Lektorin des Diogenes Verlags, hat schon eine Reihe von Anthologien zusammengestellt: Kurzgeschichten und Gedichte über Glück, Geduld, Väter, die Nacht oder Durchatmen – Bücher, die man mit großem Vergnügen liest und verschenkt. Die Texte nun, die sich hinter dem originellen Coverbild – eine Synchronschwimmergruppe, aus der ein Beinpaar ausschert – zum Thema Gemeinschaft auftun, überraschen in ihrer vielseitigen Ernsthaftigkeit. Einige Beispiele daraus: Tabea Steiner stellt dem »Wir« aus Individuen bei Frauendemos anonyme Ameisenkolonien gegenüber. Erich Hackl betrachtet auf einem spanischen Friedhof kollektive Erinnerungsdenkmale und private Grabplatten mit Hammer und Sichel; Ambros Waibel denkt beim Schlangestehen vor dem Flaschenrückgabeautomat über Gemeinsamkeiten nach. Paul Bokowski bemüht Dating-Apps, während Simon Froehling in James Baldwin so etwas wie ein Alter Ego findet. Mareike Fallwickls Pfarrer im Dorf lebt die Botschaft »Holt die Ausgegrenzten«; der Musiker Thorsten Nagelschmidt wird von Martha Schoknecht befragt, was eine Band zusammenhält; Zora Del Bueno begibt sich in ein Heim für Demenzkranke, »hundertneunzehn und Mutter«. Die Geschichten umfassen das ganze Leben, von Schwanger- und Mutterschaft bis Altern, Pflege und Begräbnis, führen weg vom Schreiben und wieder zurück (Lea Catrina), oder finden Heimat in der Sprache (Khuê Pham/Deniz Utlu). Vom Leidensweg am »Schulweg, 1998«: Wie es sich anfühlt, wenn sich Menschen gegen einen verbünden, davon schreibt Tino Schlench.
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Martha Schoknecht (Hg.)
Eins Zwei Drei Wir. Was Gemeinschaft kann
Diogenes Tapir, 272 S.