Von Alltagsrassismen und wie man ihnen begegnet: Am besten mit dem Buch „Und immer wieder aufbrechen“ von Sisonke Msimang. Foto: Nick White.


Leser und Leserinnen zählen en gros zu Menschen, die neugierig auf die Welt sind, die sich auch mit Themen außerhalb der Wohlfühlzone zu konfrontieren bereit sind – so lautet die gängige Selbsteinschätzung. Das ist schön. Dennoch ist niemand von uns davor gefeit, dem einen oder anderen Vorurteil aufzusitzen, vielleicht sogar dem Alltagsrassismus. Dass das meist nicht „böse gemeint“ ist, zählt nicht als Entschuldigung. Ebensowenig zählt eine Entschuldigung, nicht dagegen aufzutreten, wenn einem Derartiges entgegenschwappt. Ich selbst nehme mich da nicht aus, im Gegenteil. Als ich vor kurzem im Dorf meiner Wahlheimat den winzigen Lebensmittelladen aufsuchte, kam ich mit der Person hinter dem Tresen ins Plaudern, man unterhielt sich unter anderem auch über die Gartenarbeit, die ab und zu ganz schön fordernd sein kann, darüber waren wir uns einig. Worüber wir uns gar nicht einig waren, war eine Aussage, die mich so fassungslos machte, dass ich sprachlos war – im Wortsinn – und das passiert mir nicht oft. Mit einem breiten Grinsen wurde mir erklärt, dass man ja heutzutage leider „keinen Neger mehr findet“, der anstrengende Arbeiten verrichten würde.

Nicht böse gemeint? Sagt man halt so, weil das halt immer so die Red’ war? Wie bringt man Menschen, die grundsätzlich freundlich, hilfsbereit und gutartig sind, bei, dass sie sich nicht nur „ein wenig im Ton vergriffen“ haben, sondern an Stereotypen der übelsten Form kleben? Könnten sie mit Literatur erreicht werden? Ich habe da meine Zweifel, aber einen Versuch ist es wert. Zum Beispiel mit dem Buch von Sisonke Msimang: „Und immer wieder aufbrechen“. Diese bemerkenswerte Frau wurde im Exil in Swasiland geboren, wuchs in Sambia, Nairobi und Kanada auf, studierte in den USA – und ist Südafrikanerin. Als sie Südafrika das erste Mal betritt, ist sie über 20 Jahre alt. Der Verlag charakterisiert sie folgendermaßen: „Sie ist Revolutionärin, Frau, Mutter, Feministin, Antirassistin, Afrikanerin, Weltbürgerin, Partnerin, Schwester – die Heldin ihrer eigenen Geschichte.“ Mit kompromissloser Schärfe nähert sie sich im Text dem problematischen Heimatbegriff, hinterfragt Held/innenmythen, prüft ihre eigenen Standpunkte, stellt sich dem überbordenden Komplex an Problemen jenes Landes, dem sie sich letztlich zugehörig fühlt, spricht über die fast nicht zu stemmende Aufgabe, in diesem Kontext Kinder großzuziehen, immer Stärke beweisen zu müssen – und bewahrt sich eine anrührende Warmherzigkeit im Erzählen. Das englische Original „Always Another Country“ erschien 2017, 2018 folgte „The Resurrection of Winnie Mandela“.

Sisonke Msimang
Und immer wieder aufbrechen
Ü: Tatjana Kruse
Haymon, 404 S.