Michael Pollan versucht sich in seinem Buch „Kaffee Mohn Kaktus“ an einer Kulturgeschichte psychoaktiver Pflanzen. Foto: Verlag Antje Kunstmann.


Pollan ist ein New Yorker Bestsellerautor, wurde 2010 vom „Times Magazine“ zu den hundert einflussreichsten Menschen der Welt gezählt, und dementsprechend ichbezogen ist sein Zugang zu drei psychoaktiven Pflanzen, aus denen das gewonnen wird, was man schlechthin Drogen nennt, also Kaffee, Opium und Meskalin. Er wählte für sein Buch einen speziellen Zugang: Zum Start seiner Arbeit an dem Kaffee-Essay verzichtete er von einem Moment auf den anderen völlig auf Koffein und hielt das rund drei Monate durch. Für die Aufsätze über Opium und Meskalin zog er sich in seinen Garten zurück und versuchte dort – eher illegal als legal – Mohn und diverse Kakteen anzubauen. Dazu muss man wissen, dass er ein begeisterter Gärtner ist, und sein Buch „Meine zweite Natur. Vom Glück ein Gärtner zu sein“ (oekom, München 2014) ein New York Times Bestseller war. Der Vorgänger von „Kaffee Mohn Kaktus“ ist „Die Botanik der Begierde“ (Claassen 2002), worin es um den Apfel, die Tulpe, Marihuana und die Kartoffel ging.

Jetzt also zuerst einmal Kaffee. Pollan denkt intensiv darüber nach, was denn da mit uns passiert, wenn wir ihn tagtäglich konsumieren: „Das Koffein bietet sich als optimale Lösung des Problems an, das von ihm selbst hervorgebracht wird … Denn fünfundzwanzig Prozent des Koffeins in einer mittags getrunkenen Tasse Kaffee zirkulieren noch im Gehirn, wenn man um Mitternacht zu Bett geht.“ Er geht sein Thema ausführlich an, untersucht Ökonomie, Physiologie und, wie im Untertitel angekündigt, die Kulturgeschichte. So macht er den Kaffee dafür verantwortlich, dass sich in der westlichen Welt nach dem alkoholgeschwängerten Mittelalter die Aufklärung hat durchsetzen können – und später dann auch der Kapitalismus. „Es ist nur schwer vorstellbar, dass der politische, kulturelle und geistige Aufruhr, der in den Kaffeehäusern Englands und Frankreichs aufwallte, sich in einer Schenke vollzogen hätte. Wenn der Alkohol unsere dionysischen Neigungen befeuert, so nährt das Koffein die apollonischen.“ Man muss ihm zugutehalten, dass er aus der englischsprachigen Welt kommt und ihm daher die Auswirkung des Kaffees auf die englische Prosa wichtiger ist als die mitteleuropäische Welt der Kaffeehauskultur (so verliert er etwa kein Wort über die Türkenbelagerung und Kolschitzky). Zum Thema Kaffee als Droge lässt er unter anderen einen Drogenforscher zu Wort kommen, der meint, dass „an einer Sucht nichts falsch ist, wenn die Versorgung gesichert ist, man kein bekanntes Gesundheitsrisiko hat und den Gedanken nicht als kränkend empfindet.“ Schneller bei der Arbeit mache Koffein, aber nicht klüger und wahrscheinlich auch nicht kreativer, außerdem befreie es uns von dem Tag-Nacht-Rhythmus, sind weitere Erkenntnisse, die er aus seinen einschlägigen Recherchen hat ziehen können. Und weil ja Koffein auch im Tee enthalten ist, wird der später dann auch zum Inhalt seiner Überlegungen.

Das zweite Kapitel widmet Pollan dem Mohn, denn Opium, eine der wichtigsten Arzneien weltweit, wird daraus gewonnen. Wie schon erwähnt, experimentiert der Autor damit in seinem Garten, liest De Quinceys Bekenntnisse eines Opiumessers, gibt Anweisungen wie bei der Mohnernte zu verfahren sei, schlürft Mohntee und muss erkennen, dass der seinem Bewusstsein nichts Neues hinzufüge, aber dafür Angst, Schwermut, Sorge und Betrübnis abziehe. Es wird von einem selbst abhängen, mit welcher Droge man sich in seinen Ausführungen intensiver befassen möchte.

Das letzte und umfangreichste Kapitel in Pollans Buch handelt vom Peyote-Kaktus, über das bei uns in der westlichen Welt relativ unbekannte Psychedelikum Mescalin. (Die Mescalero-Indianer haben davon ihren Namen, deren berühmtester – zumindest in mitteleuropäischen Landen – ist sicher Winnetou. Karl May ließ darüber aber nie etwas verlauten. Wusste er es nicht oder wäre es für den Erfolg seiner Bücher abträglich gewesen, wenn man sich Winnetou unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Drogen vorgestellt hätte?) Aber halt, das ist schon falsch. Mescalin verspricht keine andere Realität, sondern ungleich mehr von der vorhandenen. Pollan zeigt die Kluft zwischen der westlichen und indigenen Welt beim Umgang mit Mescalin auf und geht wieder in seinen Garten, um Kakteen anzupflanzen, sammelt Rezepte, wie man daraus die Droge gewinnt, und forscht dazwischen in der Geschichte. Denn die Ermordung Sitting Bulls und die Schlacht am Wounded Knee Creek hat auch mit der Angst der Behörden vor einer neu aufkommenden Messias-Religion zu tun. Für die „Native American Church“ ist Peyote ein fixer Bestandteil ihrer Zeremonien. Schließlich ist es dann endlich so weit: Pollan beschreibt wortgewaltig seinen Selbstversuch mit Mescalin, den er dann knapp zusammenfasst mit „Es war eine lange, seltsame Nacht mit vielen Elementen und Ereignissen“ – und setzt so am Schluss den emotionalen Höhepunkt seines Buches.

Michael Pollan
Kaffee Mohn Kaktus. Eine Kulturgeschichte psychoaktiver Pflanzen
Ü: Thomas Gunkel
Kunstmann, 281 S.