Selten war etwas so zweischneidig wie Lisa Eckharts Debut „Omama“. Und obwohl sie sich noch so um Verschleierung bemüht: ein wenig Enkelliebe für die Oma sickert durch.


Wer Lisa Eckharts Roman „Omama“ aufklappt, sollte sich wappnen. Nicht nur davor, dass wahrscheinlich ohnehin schon jede/r eine Meinung dazu hat, und die auch gut und gerne allen, die sie nicht hören wollen, kundtut. Sondern vor allem vor dem Kreuzfeuer an bitterbösen Witzen, die Geschossen ähnlich rings um einen einschlagen und, wie das eben so ist: Manch eines trifft es, manch eines schießt meilenweit am Ziel vorbei. Das meint Lisa Eckhart vermutlich auch im Prolog, wenn sie es großzügig den Leser/innen überlässt, ob diese hier gerade eine Hommage an die liebe Omama oder einen Rufmord vor sich haben. In allen Belangen schwankt man, den marillenschnapsgetränkten Russen aus Teil eins gleich, in einem dauerhaften Dilemma zwischen Begeisterung und absoluter Sprachlosigkeit, wobei letztere fairerweise dem Lesen ja durchaus zuträglich ist.

Wovon man liest, man kann es sich denken, ist die Geschichte von Lisa Eckharts Oma. Der erste Teil berichtet launig von der Zeit kurz nach dem Krieg, als im kleinen Ort Mautern in der Steiermark die Russen kamen und blieben. Erster und auch zweiter Teil ergehen sich bis zum Äußersten in der schwesterlichen Beziehung der jungen (noch nicht) Oma Helga und ihrer Schwester Inge, in Eckharts erbarmungsloser Darstellung ein dümmliches „Flitscherl“, später gibt es ausführliche Beschreibungen des Wirtshaus- und Dorflebens, wo Helga ihren Ehemann kennenlernt. Der dritte Teil macht einen dramaturgischen Weitsprung in die Gegenwart und erzählt unter anderem von einer gemeinsamen Kreuzfahrt, auf der das Enkerl es leider auch nicht schafft, der Oma das N-Wort auszutreiben (kommt einigen sicher bekannt vor) oder von einer Polizeikontrolle, die damit endet, dass Oma Helga dem Polizisten gegen das Schienbein tritt und abdüst. Ganz klar, das Buch brilliert weder durch seine Geschichten noch durch seinen Inhalt und schon gar nicht durch seinen geschichtlichen Inhalt. Das „Wie“ steht so massig im Raum, dass das „Was“ tendenziell untergeht.

Ihre Erzählweise ist ähnlich einer Beschreibung von Helgas Freundin Gitti: „Eine mit Ecken und Kanten, die gerne auch mal wo aneckt.“ Sie mag hart sein, aber gerechterweise zieht sie konsequent alles und jeden in den Dreck. Wirft man ihr ob inflationär gebrauchter Ausdrücke wie „Flitscherl“ Misogynie vor und lässt sich erfolgreich von Sätzen wie „Irgendwo zwischen Windeln und Tampons, oder zwischen Blutschlieren und Bremsspuren, da ist das Weib am angenehmsten“ provozieren, liest man auf der nächsten Seite auch schon von den stumpfsinnigen, nicht denkenden Männern.

Lisa Eckharts unglaubliche Eloquenz, die zu Papier gebracht noch einmal verdichteter wirkt, erschlägt einen regelrecht, gibt etwas ab von den Watschen von Helgas Eltern, die gern um ihre „Watschenhoheit“ kämpfen. Aber gut, Watschen rütteln auch wach. Die Mischung aus einer antiquierten, näselnden Sprache („die Faltencreme, welche ich einst geschenkt“), die so selbstständig ist, dass sie sogar auf Hilfsverben verzichtet, und einer großen Auswahl an derben Dialektwörtern („Bumstinazl“, „motschgern“, „verwoadagelt“) verleiht eine große Portion Charakter. Jedes Wort bekommt sein Spiel, „Herrichten“ und „Ausrichten“ nehmen beim Friseur einträchtig nebeneinander Platz.

Am Ende passiert etwas Seltsames. Verliert dieser Roman etwa, wenn auch nicht an Biss, so doch an Bissigkeit, sobald es um Rezepte für Wild und Kuchen geht? Gewöhnt man sich so sehr an diesen scharfzüngigen Stil, dass man sich am N-Wort der Großmutter weniger stört? Die nun schon alte Großmutter bittet ihre Enkelin am Telefon: „Lass mich doch ein bisserl mitleben!“ Und es knackt ein wenig, weil selbst harte Schalen und Enkelinnen Bruchstellen haben.

Lisa Eckhart, „Omama“ (Zsolnay)
384 S.