Cosy Crime ist nicht neu – siehe Christies Miss Marple-Reihe – und sollte als qualitative Literatur betrachtet werden. Foto: Shutterstock


Den Grund, dass dieses Untergenre des Kriminalromans immer wieder unterschätzt wird, sieht Fenna Williams, Schriftstellerin und Creative Writing-Seminarleiterin, in der falschen Verwendung des Wortes »cozy« – Public Viewing bedeute in Amerika schließlich auch etwas ganz Anderes als hierzulande, nämlich die Aufbahrung eines Leichnams und nicht das gemeinsame Hocken vor einer Leinwand! In einem Artikel für die »Mörderischen Schwestern«, dem größten europäischen Verein für Kriminalautorinnen, beruft sie sich auf Agatha Christie und plädiert für die Umbenennung in »Mystery Stories«. Williams gibt zum besseren Verständnis eine klare, gute Leitlinie vor: Atmosphäre, originelles Personal, Situationskomik, das Herausarbeiten der menschlichen Beweggründe des Tötens, die Wiederherstellung der Ordnung. Fortsetzungen erwünscht.


Tine Dreyer
Morden in der Menopause mit dem richtigen Mindset
DuMont, 240 S.

Eine, auf die alle diese Kriterien zutreffen, ist Tine Dreyer mit »Morden in der Menopause mit dem richtigen Mindset«. Es gelingt ihr überdies der einzigartige Twist, dass im Mittelpunkt nicht mordermittelnde Amateur/innen, sondern eine Amateurmörderin steht: Das erste Mal passierte »es« der Ich-Erzählerin Liv, Innenarchitektin in einem Küchenstudio, alleinverdienende Ehefrau und Mutter dreier pubertierenden Kinder, in »Morden in der Menopause«. Sie arbeitet immer noch an den daraus resultierenden Schuldgefühlen. Was könnte helfen? Ein positives Mindset. Aber kann das auch weitere Morde verhindern? Eher nicht, wenn die Anweisung dazu lautet: »Werfen Sie die Schlechtmacher aus Ihrem Leben.« Schräg, witzig, voll von schwarzem Humor und bissig-ironischen Kommentaren zum Verhältnis Mann-Frau, getarnt als in die Geschichte hineingeschobener »Ratgeber« mit vordergründig ernsthaftem Ton.


Martina Pahr
Wer die Kohlmeise stört
Emons, 256 S.

Ungewöhnliches spielt sich auch rund um den Schrebergarten der Kinderbuchillustratorin Valentina ab. Ebendort hatte sie letztes Jahr, in »Nur die Wühlmaus war Zeuge«, die Leiche des Vorbesitzers ihrer Parzelle ausgegraben. Nun hat es Wiggerl erwischt, der als Bienenallergiker sichtlich ohne seinen Epipen herumspaziert war. Nachbarin »Miss Marple« Friedl kommt trotz Rollator immer an Informationen heran und denkt natürlich gleich an Mord. Valentina kann nur beipflichten, ihre beste Freundin Barbara, genannt »die Lerche« und derzeit mit Liebeskummer beschäftigt, überlegt noch. Wenn der Name Martina Pahr fällt, folgt sofort auch »humorvoll«. Davon kann man sich in »Wer die Kohlmeise stört« selbst ein Bild machen. Denn das Vogerl ist gar nicht so lieb, wie es ausschaut …


Nicola Whyte
Marchfield Square
Ü: Anke Angela Grube
Lübbe, 464 S.

Ein elegantes altes Haus, Besitzerin Celeste van Duren – 82 Jahre, künstliche Hüfte – vermietet, auch unter Marktwert, eigentlich nur an Menschen, die hier hineinpassen. Bei Richard Glead, nun Leiche mit Schusswunde in der Brust, scheint sie sich getäuscht zu haben. Man würde es Linda nicht verdenken, wenn sie die Sache mit dem brutalen Ehemann selbst in die Hand genommen hätte. Aber dann ist sie gleichfalls tot. Celeste beauftragt ihre clevere Putzfrau Audrey und den nur langsam auftauenden Mieter-Schriftsteller Lewis mit Nachforschungen, denn der Kreis der Verdächtigen ist klein und scheint sich auf Marchfield Square zu beschränken. Leider legen sich die unfreiwillig zusammengespannten Amateurdetektive mit echten Gangstern an … Nicola Whytes »Marchfield Square« entspricht also hervorragend den Leitlinien von Fenna Williams, als »eindrucksvolles Debüt, gleichermaßen cosy wie classy«, wie Janice Hallett es nannte.


Janice Hallett
Die Engel von Alperton. Der Teufel steckt im Detail
Ü: Stefanie Kremer
Atrium, 543 S.

Und damit sind wir bei der »Queen of Cosy Crime«: Janice Hallett hat nämlich eine ganz besondere Form des Erzählens gefunden und weicht darin vom üblichen Schema ab. Ihr erster Bestseller »Die Aufführung« bestand ausschließlich aus Mails zwischen den Ermittlern und innerhalb des Kreises der Verdächtigen. Elektronische Nachrichten bilden in »Die Engel von Alperton« ebenfalls Hauptbestandteil des Textes, ergänzt mit Gedankenprotokollen ihrer Protagonistin Amanda, Zeitungsausschnitten, herausgerissenen Romanseiten – rein äußerlich also nicht ganz so herausfordernd wie »Die Aufführung«, mit etwas weniger Personal, und vielleicht grade deshalb sogar etwas unterhaltsamer: Amanda Bailey hat es satt, Krimis zu schreiben. Sie möchte höher hinaus, einen Roman beginnen. Der Verlag ist zu einem Kompromiss bereit, einer »True-Crime-Reihe«. Sie soll mit einem Fall Anfang der Nuller Jahre beginnen, im Schlepptau des Buches winken Film- und TV-Rechte. Leider stellt sich heraus, dass ein alter Bekannter Amandas ebenfalls hinter dem Fall her ist, sie muss zähneknirschend mit ihm zusammenarbeiten. Neben dem (unterhaltsamen) Hickhack der beiden entwickelt sich Suspense total – noch auf Seite 121 ist der Leser/die Leserin nicht weiter gekommen mit den Mutmaßungen. Das überraschende Ende wird hier natürlich nicht verraten.


Sue Hincenbergs
Very Bad Widows
Ü: Charlotte Lungstrass-Kapfer
Piper, 496 S.

Apropos Filmrechte: Die sind für das Romandebüt der Fernsehproduzentin Sue Hincenbergs bereits reserviert. Als nach einem Unfall eine Witwe eine erkleckliche Lebensversicherung ausbezahlt bekommt, wird den Freundinnen klar, dass sie für den angestrebten luxuriösen Lebensabend zuerst die Ehemänner loswerden müssen. Der angeheuerte Killer kommt allerdings auch mit den Göttergatten ins Geschäft. Klingt bekannt? »Very Bad Widows« ist origineller, als der (hier sehr verkürzt wiedergegebene) Plot vermuten lässt.

Und wie verkauft sich Cozy Crime? Christian Koch von der Krimibuchandlung Hammett in Berlin – er hat zusammen mit einer jungen Autorin den Podcast Krimi-Duett gestartet – sieht rein von den Zahlen her alte Klassiker wie Margery Allingham und Jill McGown vorn, bei aktuellen Cosys punkten die mit einer Region verbundenen. Ähnlich beurteilt die Lage Elisabeth Schippel vom Wiener Krimisalon, jetzt, kurz vor dem Sommer, sind regionale Cosy Crimes auf Urlaubsdestinationen – Mallorca, Triest – beliebt. Noch ein persönlicher Tipp von den Experten/innen? Christian Koch empfiehlt Ewald Arenz, »Das Diamantenmädchen«. Elisabeth Schippel hat Angela Szivatz und ihr »Tödliches Gspusi« gefallen. Also dann: Wer findet die nächste Leiche?