Die Berufsgruppe der Übersetzer/innen fordert in ihrem »Manifest der menschlichen Sprache« beispielgebend für viele Branchen in den Creative Industries mehr Bewusstsein für die Auswirkungen von KI-Systemen. Foto: interfoto.at
Ende Februar 2024 veröffentlichten die drei deutschsprachigen Verbände für Literaturübersetzung gemeinsam einen Offenen Brief, den seither mehr als 3500 Personen und Institutionen unterschrieben haben. Anlass war die Abstimmung im EU-Parlament über den »AI Act«, die Verordnung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Entsprechend richtet er sich mit Forderungen an Politiker∙innen, gleichzeitig soll er die allgemeine Öffentlichkeit darüber aufklären, was textgenerierende KI-Systeme für das Übersetzen von Literatur bedeuten.
Eine der entscheidenden Forderungen ist die nach Transparenz, das heißt unter anderem die Offenlegung der Daten, mit denen die KI-Systeme trainiert werden. Darunter sind nämlich auch zahlreiche urheberrechtlich geschützte Werke. Der mittlerweile verabschiedete AI Act sieht nun Transparenzpflichten in Form einer »hinreichend detaillierten Zusammenfassung« vor; dass das heißt, jede Quelle eindeutig zu benennen, bleibt von der EU-Kommission noch klarzustellen. Zu wissen, was an geistigem Eigentum in einem KI-System steckt, ist ein erster Schritt, schwierig bleibt, wie sich Urheber∙innen zukünftig davor schützen können, dass ihre Werke zum Training von KI verwendet werden. Und schließlich fehlt noch etwas Entscheidendes: eine angemessene Vergütung für diese Nutzung kreativer Arbeit.
Transparenz ist aber nicht nur beim Input, sondern auch beim Output der KI-Systeme wichtig. Mit dem AI Act werden rein KI-generierte Texte einer Kennzeichnungspflicht unterliegen, was (nicht nur) Übersetzer∙innen natürlich begrüßen, weil ihre Arbeit damit von der der Maschine auf den ersten Blick unterscheidbar bleibt. Auf den zweiten Blick werden reine Maschinenübersetzungen hoffentlich noch länger erkennbar sein. Denn textgenerierende KI-Systeme können menschliche Sprache lediglich simulieren, ohne einen Text jedoch zu »verstehen«. Und beim Literaturübersetzen kommt es nun einmal darauf an, den sprichwörtlichen Ton, der die Musik macht, zu treffen und den Kontext einzubeziehen, eben darum, einen Text mit den Mitteln der anderen Sprache neu zu erschaffen, weshalb Literaturübersetzer∙innen auch die Urheber∙innen des übersetzten Textes sind. Bot-Sprache hingegen »reproduziert immer nur den Status quo. Sie vervielfältigt Vorurteile [und] hemmt die dynamische Weiterentwicklung von Sprachen«, heißt es im Manifest für menschliche Sprache, das am Ende des Offenen Briefs steht, womit auch Auswirkungen textgenerierender KI auf die Gesellschaft angesprochen werden.
Dennoch halten wir es für unerlässlich, dass sich Übersetzer∙innen mit KI-Systemen befassen. Nur wer weiß, wie DeepL und ChatGPT funktionieren, kann entscheiden, wie und an welchen Stellen sie etwa zur Recherche, für Lösungsmöglichkeiten oder zur Gegenkontrolle sinnvoll, zuverlässig und verantwortungsvoll einsetzbar sind. Insofern ist es nur folgerichtig, dass auch die einschlägigen Studiengänge das Thema behandeln. Ganze Rohfassungen von Übersetzungen jedoch mit KI generieren zu lassen, ist schon aus urheberrechtlicher Sicht problematisch, weil Originaltexte in das System eingespeist würden. Vor allem aber hat sich herausgestellt, dass das seriöse Nachbearbeiten meist sogar mehr Zeit erfordert als das Übersetzen. Diese Erfahrungen liefern Übersetzer∙innen auch Verlagen gegenüber gute Argumente, warum KI-Systeme beim Übersetzen von Literatur schnell an ihre Grenzen stoßen.
Wer den Offenen Brief unterstützen möchte, kann das hier tun.
Erstveröffentlichung: Newsletter Buchkultur Bücherbrief, 9. April 2024. Jetzt hier anmelden!
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Anja Malich ist die Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft von Übersetzerinnen und Übersetzern literarischer und wissenschaftlicher Werke. Außerdem übersetzt sie seit einem Vierteljahrhundert Kinder- und Jugendliteratur, Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen und Französischen.