Ein Auswahlband der Gedichte Alda Merinis, flankiert von Erinnerungsprosa. Foto: Giuliano Grittini.


In Italien findet man in Buchhandlungen allerorten die Gedichtbände Alda Merinis (1931-2009), und zwar als leistbare Taschenbücher. Denn ihre feinsinnige, oft knappe Lyrik ist verständlich, dabei melodisch, sie ist eingängig und zugleich oszillierend. Dass sie auf dem Friedhof Cimitero Monumentale ihrer Heimatstadt Mailand in der Nähe von Alessandro Manzoni, Autor der »Brautleute«, und des Nobelpreisträgers Salvatore Quasimodos beigesetzt würde, zeichnete sich in ihrer poetischen »Karriere« kaum ab – denn nach ihren ersten vier Büchern, erschienen zwischen 1953 und 1962, verbrachte sie 20 Jahre in der geschlossenen Psychiatrie.

Ihr lyrisches Spätwerk »La Carne degli Angeli« liegt nun in der guten deutschen Erst-Übersetzung Ulrike Schimmings vor. Da geht es zwar um Engel, sie sind aber zerbrechlich, widersprüchlich, zerrissen zwischen den Polen Transzendenz und Sinnlichkeit. »Die schönsten Gedichte«, heißt es einmal, »werden auf Steinen geschrieben / mit zerschlagenen Knien / und von dem Mysterium geschärften Sinnen«. Pathos ist zwar vorhanden, aber unterminiert von irdischer Liebe und Sehnen. »Eine Seele, die sich wandelt / in etwas, das der Geist / nicht mehr erkennen darf / und nicht mehr heiligen, / uneigne Seele, / Seele ohne Duft, / Seele ohne Ekstasen«.

Den zweiten Teil bildet »Meine Männer. Fetzen einer sentimentalen Autobiografie«. Da erzählt Merini unverstellt von ihrem Leben, ihren Geliebten. Una vera scoperta, ein echter Fund, ist dieser Band, eine Entdeckung ist diese Dichterin.

Alda Merini
Das Fleisch der Engel. Gedichte und Erinnerungen
Ü: Ulrike Schimming
S. Marix, 192 S.