Der Preis zum Wissenschaftsbuch des Jahres wird vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgeschrieben und prämiert die besten deutschsprachigen, wissenschaftlich fundierten Sachbücher: Hier stehen sie im Mittelpunkt und mit ihnen jene Personen, die Forschung betreiben und durch ihre Publikationen vermitteln. Gleichzeitig macht der Preis deutlich, wie sehr das Buch das zentrale Medium für die Wissensvermittlung ist.

Jetzt hat das Publikum entschieden: Fast 9.000 Stimmen wurden bei der diesjährigen Wahl abgegeben, nun stehen die Siegertitel des »Wissenschaftsbuch des Jahres 2025« fest. Buchkultur gratuliert den Gewinner/innen herzlich!


Gerhard Ammerer, Nicole Bauer und Carlos Watzka
Dämonen. Besessenheit und Exorzismus in der Geschichte Österreichs (Anton Pustet)

Die rituelle Austreibung von Dämonen aus angeblich vom Teufel besessenen Menschen hat in Österreich eine lange Geschichte. Eine umfassende Gesamtstudie hierzu fehlte aber bislang. Gerhard Ammerer, Nicole Bauer und Carlos Watzka haben dieses Defizit behoben. Bereits seit 1600 sind Exorzismen hierzulande belegt. Die habsburgische Dynastie war nämlich bei der Unterbringung, Betreuung und Behandlung der »Besessenen« unmittelbar und aktiv involviert. Die Austreibung der Dämonen aus den Betroffenen wurde mit einem erheblichen Aufwand und über eine beträchtliche Dauer öffentlich betrieben. Da aber bis heute nicht wenige Menschen an die Wirkung dieser Riten glauben, ist der Exorzismus weiter ein virulentes Phänomen, das sich in eine Gegenwart fügt, die sich wieder vermehrt von der nüchternen Wissenschaft abwendet. Das Autor/innentrio nimmt in dieser mit zahlreichen Illustrationen versehenen Gesamtdarstellung Theorie und Praxis des Exorzismus in Österreich aus verschiedensten Blickwinkeln – zeit-, mentalitäts- und religionsgeschichtlich wie psychologisch – unter die Lupe und legt eine kritische Begutachtung von Historie und Gegenwart vor. Damit schließen Gerhard Ammerer, Nicole Bauer und Carlos Watzka eine große Forschungslücke mit einer Studie von beachtlichem Umfang.


Paulina Rowińska
Mapmatics. Wie Karten unser Weltbild prägen (Aufbau)

Paulina Rowińska erklärt in »Mapmatics« eindringlich, lebendig und instruktiv den Einfluss der Mathematik auf das Leben der Menschen – anhand der Historie der Kartenerstellung, die ohne Mathematik undenkbar wäre. In ihrem äußerst lesenswerten Debüt führt sie vor, wie sich Menschen orientieren, wie sehr Karten unser Weltbild geformt haben und weiterhin unsere Lebenswirklichkeit prägen. Anhand vieler anschaulich präsentierter Beispiele erklärt sie Phänomene der Mathematik und der Astronomie und nimmt die Leser/innen mit auf eine Reise zu Sekanten, Logarithmentafeln und Projektionsmodellen, die sich als so überraschend, wie am Ende augenöffnend, erweist. Zum Beispiel hat auf der unser Weltbild bis heute prägenden Mercator-Projektion das in Wirklichkeit achtmal größere Südamerika einen mit Grönland vergleichbaren Umfang. Das dort riesige abgebildete Alaska ist wiederum in Wahrheit kleiner als das auf der Karte im Vergleich unscheinbare Libyen. Paulina Rowińska unterstützt ihre immer wieder überraschende Argumentation mit vielen Grafiken und Formeln und führt eigentlich unübersehbare Verzerrungen, in denen sich Mathematik mit Ideologie überlagert und vereint, lebhaft vor Augen.


Lotte Stegeman und Mark Janssen:
Die Gefühle der Tiere. Von eifersüchtigen Affen, ängstlichen Hunden und pfiffigen Ratten (Rotfuchs)

Ein traumhaft schön gestaltetes Buch – wie auch keine geringere als die Grande Dame der Verhaltensforschung Jane Goodall befindet: »Dieses Buch ist vollgepackt mit wundervollen Geschichten über Tiere, die beweisen, dass diese alle möglichen Gefühle empfinden, genau wie wir. Nach der Lektüre wird man Tiere nicht nur lieben, sondern sie auch besser verstehen.« Auf kindgerechte Weise schildert die Autorin Lotte Stegeman, dass Tiere genauso Emotionen empfinden und zeigen wie die Menschen, die diese Signale aber leider kaum oder gar nicht verstehen. Deshalb nahm man lange an, dass Tiere ausschließlich instinktgetrieben handeln. Doch Stegeman erzählt unterhaltsam wie verständlich, dass Tiere trauern und lieben, Eifersucht oder Ekel empfinden und ängstlich, glücklich oder mitfühlend sein können. Dabei geht es ebenso um Haustiere wie wilde Tiere, ob Meeresbewohner oder die Herrscher der Lüfte. Mithilfe von unzähligen Untersuchungen, spannenden Experimenten und interessanten Anekdoten zeigen Lotte Stegeman und Illustrator Mark Janssen einem jungen Publikum ab 8 Jahren, wie nahe Tier und Mensch sich eigentlich sind und dass wir im Fühlen gar nicht so verschieden sind.


Kathleen Wermke
Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird (Molden)

Lautäußerungen von Babys haben Kathleen Wermke schon über ihre gesamte Laufbahn fasziniert. Seit 2003 leitet sie am Universitätsklinikum Würzburg das von ihr gegründete Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen. In » Babygesänge« macht sie nun ihre Forschung erstmals einer breiten Leserschaft zugänglich.  So zeigen ihre Untersuchungen, dass kulturelle Unterschiede bereits in den ersten Lauten bemerkbar werden, die Menschen von sich geben. Die Variationen entstehen nämlich schon vor der Geburt aus der Melodie der von der Mutter vernommenen Sprache, was bereits die ersten Schreie zeigen. Ein besseres Verständnis der Babygesänge könne laut Wermke daher helfen, die Anstrengungen, die Babys vollbringen, um akustisch-phonetisch Kontakt zu ihrer Umwelt aufzubauen und via Stimme emotionale Bindungen zu Bezugspersonen aufzubauen, anders einzustufen und viel mehr als bisher wertzuschätzen. Kathleen Wermke stützt ihre Analyse auf die weltweit einzige Datenbank von Babylauten, die sie über 20 Jahre lang aufgebaut hat. Die Biologin führt damit eindrücklich vor Augen, wie komplex die frühkindliche Kommunikation ist und zeigt, dass das vermeintlich unverständliche Schreien, Gurren, Quieken oder Weinen von Babys sehr wohl zahlreiche Informationen übermittelt.