Ein unruhiges Lebenszeichen.
In meinen Freundeskreisen erkenne ich, dass bibliophile Menschen um die 30 ein so buntes Lese- und Buchkaufverhalten an den Tag legen, dass es unterschiedlicher kaum sein könnte. Darunter gibt es sie immer noch, die Lesebegeisterten, bei denen nichts über das gedruckte Buch geht, die alle Bestsellerlisten rauf und runter lesen und jede Autorin und jeden Autor, der mir jemals unter die Brille gekommen ist, bereits gelesen oder zumindest schon viel von ihm oder ihr gehört haben. Bei Treffen versuche ich stets, mal mehr, mal weniger erfolgreich, zu verheimlichen, dass es mir schlicht nicht möglich ist so viele Namen und Titel zu merken und ich nicht alle aktuellen Must-reads gelesen habe. Vermutlich lese ich einfach langsamer oder anders. Täglich versuche ich mir Zeit zum Lesen einzurichten, aber unter uns gesagt, ich weiß nicht wie oft mir das Buch nach zwei Seiten aus der Hand fällt, da meine müden Augen streiken.
„Die Lektüre eines brillanten Werkes, das mich entführt, begeistert, verändert, ist eine Energiequelle.“
Bei der Beobachtung wiederum anderer Freund/innen (und mir selbst) nehme ich ebenso stereotype Verhalten der „Millennials“ wahr. Die Kohorte ist permanent erreichbar, arbeitet so gerne, dass Überstunden nicht der Rede wert sind und wenn sie nicht für den Dienstgeber tätig ist, „arbeitet“ sie private Nachrichten und Infofeeds ab, und durchlebt so nebenbei eine kleine Sinnkrise über die Bedeutung des Daseins. Nach diversen Studien ist unsere Altersgruppe mindesten drei Stunden täglich am Smartphone und signifikant Burnout gefährdet. Wir sind im andauernden privaten Arbeitsmodus, E-Mails den dritten Tag unbeantwortet zu lassen, ist unbehaglich. So bleibt sehr wenig Zeit für das das Medium Buch.
Doch wäre es nicht Teil meines Glückes, mehr Zeit den Büchern zu widmen, die es zu entdecken gilt? Die vergessen lassen, die Kraft besitzen mich in unbekannte Welten zu entführen – ohne Flugtickets und CO2-Ausstoß – und die Fantasie fördern? Die für gewisse Zeit die aktuelle Sinnkrise lindern, sie in ein anderes Licht rückt? Die Lektüre eines brillanten Werkes, das mich entführt, begeistert, verändert ist eine Energiequelle, die die Investition namens Zeit wert wäre.
Dafür benötige ich vermehrt:
Mut zu einem lautlosen Smartphone!
Mut zu unbeantworteten E-Mails!
Mut zur selbstbestimmten Informationsaufnahme!
Angelika Höritzauer hat Buchwissenschaft: Verlagspraxis in München studiert und ist aktuell in einem österreichischen Verlag beheimatet.