Bücher? Ja, Bücher haben mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ich hatte Glück! Mein Vater war damals Journalist für Kinder und Jugendbuch beim Börsenblatt. Nicht nur das Bücherregal zu Hause maß daher mehrere Meter. Sondern, solange ich nicht zum Aufräumen aufgefordert wurde, auch der Boden durfte mit Büchern bedeckt sein.
Ich wollte nicht eingeschult werden, weil ich das Vorlesen am Abend so sehr geliebt habe. Wenn ich selbst lesen kann, dann wird mir ja vielleicht nicht mehr vorgelesen, habe ich gedacht. Also gab es einen Deal: Es wird solange vorgelesen, wie ich das möchte. Da stand dem Lesenlernen dann nichts mehr im Wege und ich habe schon bald das Selberlesen so sehr genossen, dass ich vorgelesen habe und meine Eltern zuhören durften oder mussten.
Irgendwann kamen in der Schule die ersten Pflichtlektüren und ich muss sagen: Lesen auf Befehl, das macht keinen Spaß. So war die Zeit zwischen 9 und 13 die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich nicht gern gelesen habe.
Meine Lieblingsbücher sind bis heute Geschichten, die über die „Realität“ hinausgehen. Bilderbücher mit klarer Sprache und einfachen, aber tiefgründigen Illustrationen, fantastische Jugendbücher, wie Momo und Krabat, Science-Fiction (von Matt Ruff oder Liu Cixin) und Bücher, die versuchen, die Welt zu beschreiben wie sie uns erscheint in Details, wie Juli Zeh sie schreibt, oder allgemein, wie Sachbücher es versuchen.
„Mit die schönsten Momente sind die, wenn mein verträumter Blick den eines anderen Menschen trifft, der auch gerade aus seinem Buch aufschaut.“
Bücher sind für mich eine Welt zum Träumen. Ich sitze beruflich oft im Zug und tauche ein in eine Welt zwischen den Zeilen. Manchmal muss ich aufhören zu lesen, weil ich gerne darüber nachdenke, was die Zeilen mir über die Figuren im Buch verraten. Oft bin ich erstaunt über all die anderen Menschen um mich herum. Sie sehen aus als ob sie lesen würden. Ob auf ihrem Smartphone dann Texte oder bewegte Bilder sind oder bloß ein kleines Fingeraufwärmspiel mit bunten Farben, kann ich natürlich nicht sagen. Aber mit die schönsten Momente sind die, wenn mein verträumter Blick den eines anderen Menschen trifft, der auch gerade aus seinem Buch aufschaut. Da scheint es dieses Verständnis zu geben, dass wir beide das gedruckte Buch so sehr schätzen.
Ich liebe auch Filme, jedoch nicht im Zug und ungern allein. Ich spiele auch gern mal ein Computerspiel, aber nicht unterwegs. Mein erstes Computerspiel war das Text-Programm von Windows NT 1993. Es hat mir ziemlich viel Spaß gemacht, die Buchstaben zu Bildern zusammenzufügen.
Als Schauspieler im Kinder- und Jugendtheater und als Theaterpädagoge interessiere ich mich sehr für neue Geschichten in Bilderbüchern und die Welten, die Illustratoren für uns erschaffen. Viele der schönsten Theaterstücke für Kinder sind auf dem Rücken von hervorragenden Bilderbüchern entstanden. Ich kann es mir nicht verkneifen, hier „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“ und „Der Bär, der nicht da war“ zu erwähnen.
Als Bibliotheksassistent liebe ich die Vorlesestunden, wenn 20 Kinder mit mir zusammen in eine Welt eintauchen, die ich für sie mit zum Leben erwecke und die wunderbare Ideen haben, was da mit den Figuren so vorgeht, dann blüht auch mein Herz auf.
Würde mich jemand fragen: Hey, was ist eigentlich dein Lieblingsbuch oder -bilderbuch? Dann müsste ich sagen: Jetzt gerade habe ich kein Buch in der Hand und eine Liste wäre zu lang. Für mich gibt es Lieblingsbücher immer zu unterschiedlichen Gemütszuständen. Bücher, die ich nach 10 Seiten wieder weggelegt habe, waren zu anderen Zeiten für mich das beste Buch überhaupt. Das heißt natürlich nicht, dass alle Bücher die besten sind, doch ich denke zumindest für jemanden sind sie zu einer bestimmten Zeit genau das Lebenselixier, was dieser jemand dann braucht. Das kann dann gern auch ein Song, ein Film, eine Serie oder ein Spiel sein. Alle diese Medien haben in meinen Augen ihre eigene Anziehungskraft. Ich muss mich da nicht für das eine und gegen das andere entscheiden.
Doch wenn der Strom ausfällt, brennt die Kerze weiter und auch die Buchstaben verlöschen nicht.
Karl Kiesel, 10 Jahre Bibliotheksassistent, Theaterpädagoge, Schauspieler im Kinder- und Jugendtheater.