Süß ist das Nichtstun … und alles andere als leicht gemacht! Thomas Feibel hatte mit dem Nichtstun erst mal Arbeit – er hat sechs Bücher über die Kunst der Entspannung gelesen. (Illustration: Knesebeck/Brittney Klein)


Warum uns beim Nichtstun oft ein schlechtes Gewissen plagt, ist schnell erklärt: Weil es den meisten Kindern anerzogen wurde. Damals galt Nichtstun noch als reine Faulheit und es provozierte Eltern, wenn ihre Kinder Tagträumen nachhingen, anstatt ihre Zimmer aufzuräumen oder sich im Haushalt nützlich zu machen. Heute sind wir so produktiv, fleißig und effizient, dass wir darüber das Abschalten verlernt haben.

Abhilfe verspricht der originelle Ratgeber »Niksen. Wie man Glück im Nichtstun findet« von Annette Lavrijsen. Niksen kommt aus dem Niederländischen und bedeutet »nichts tun«. »Gemeint sind jene kurzen Momente im Leben«, erklärt die Autorin, »in denen wir (…) uns erlauben, einfach untätig zu sein – ohne schlechtes Gewissen und ohne Gedanken an all die Dinge, die wir eigentlich tun müssten.« Dabei möchte die Journalistin ihr Buch jedoch nicht als Achtsamkeitsanleitung verstanden wissen, denn das sei Arbeit. »Niksen ist längst nicht so kompliziert.« Stattdessen hält Lavrijsen ein kurzweiliges Plädoyer für das Niksen und liefert realistische Umsetzungsmöglichkeiten. Das schön illustrierte Werk ist fröhlich, sympathisch und locker.

Auf Bildsprache setzt das Kunst-Bilderbuch »OFF. Der Tag, an dem das Internet verschwand« von Chris Collin und der Illustratorin Rinee Shah. In schrägen Heiligenbildern sinnieren bärtige Heilige in Tennissocken über die Folgen des technischen Shutdowns. Die Menschheit findet zum wahren Leben und den echten Werten zurück. Allein die Ironie bewahrt die Story vor der Klebrigkeit der Message.


Annette Lavrijsen, „Niksen. Wie man Glück im Nichtstun findet“ (Knesebeck), 144 S.

Chris Collin, „OFF. Der Tag, an dem das Internet verschwand“ (Prestel), 32 S.


Einen ernsthafteren Ansatz verfolgt da Fabrice Midal. Der Franzose ist Philosoph, Buddhist, hat die Westliche Meditationsschule gegründet. Keine Angst: Es wird zu keiner Zeit entrückt, sondern ausgesprochen klug und nachdenklich. Der Originaltitel (»Drei Minuten Philosophie, um wieder menschlich zu werden«) bringt den Inhalt auf den Punkt. Der deutsche Titel (»Der Alltags-Chillosoph«) wird leider nicht ganz der Intelligenz und Empathie der 40 wunderbaren Miniaturen gerecht. Midal setzt jedem Kapitel ein ausgewähltes Zitat von Wissenschaftler/innen, Künstler/innen und Philosoph/innen voran und führt seine Bedeutung in eine realistische Situation über. So wird Paul Celans Satz »Es wird Zeit, dass der Stein sich endlich zu blühen bequemt« zur philosophischen Betrachtung über Schlaflosigkeit. Der Körper möchte nur zu gerne schlafen, aber der starke Wille einzuschlafen hindere ihn daran. Das sei falsch. »Und weil Paul Celan das weiß, lädt er uns ein, uns dem Leben anzuvertrauen, das im Stein unserer Schmerzen ruht, wenn auch auf unsichtbare, verborgene Weise.« In jedem Kapitel folgt eine kurze Meditation, die aber eher als reine Denkanregung zu verstehen ist. Das Buch mit weiteren Gedanken zu Zitaten von Camus, Kant, Rilke, Matisse, Max Jacob und vielen anderen ist faszinierend, beglückend und erquicklich.


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Möglicherweise weckt die Künstlerin Jenny Odell mit ihrem Buch »Nichts tun. Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen« falsche Erwartungen. Denn der Titel visiert den ständig von Textnachrichten, Mails und sozialen Medien drangsalierten Menschen an, der sich einen Ausweg aus der Digitalspirale wünscht. Tatsächlich versteht Odell aber ihr Werk als politische und antikapitalistische Streitschrift. »Es ist mir wichtig, meine Kritik an der Aufmerksamkeitsökonomie an die Perspektiven des bioregionalen Bewusstseins zu knüpfen, weil ich glaube, dass Kapitalismus, kolonialistisches Denken, Einsamkeit und eine ausbeuterische Haltung gegenüber der Umwelt sich gegenseitig hervorbringen.« Odell hat ein glühendes Manifest voller Naturverbundenheit geschrieben, das einen Perspektivwechsel verspricht. Teilweise wirkt es sehr angestrengt. Natürlich kann sie das Nichtstun politisch aufladen, aber ist das dann noch Nichtstun?

Der Philosophieberater Albert Kitzler orientiert sich für »Nur die Ruhe! Einfach gut leben mit Philosophie« an der Denkweise Senecas. Durch den Kunstkniff der Dialogform erhält das Buch eine Leichtigkeit, auch wenn es um so schwerwiegende Lebensfragen wie Rückschläge, Verluste oder Lebensziele geht.

In England schreibt die BBC-Moderatorin Claudia Hammond populärwissenschaftliche Bücher. In »Die Kunst des Ausruhens: wie man echte Erholung findet« geht sie unter anderem auf Achtsamkeit, Fernsehen oder Lesen ein. Hammond stellt mit großer Akribie eine beeindruckende Vielzahl von Studien vor, ihre Einlassungen dazu sind allerdings oft von verstörender Banalität. »Die Kernaussage dieses Buches ist«, schreibt sie, »dass es gut ist, sich auszuruhen, und wir sollten versuchen, es häufiger zu tun.« Zum Thema Fernsehen: »Man sieht fern, wenn man allein ist oder zusammen mit der Familie. Es ist einfach und jederzeit möglich.« Auch die vielen privaten Einblicke bringen wenig Erkenntnisgewinn, sondern vermitteln den etwas ermüdenden Eindruck einer Autorin, die über die Arbeit im Garten, strapaziöse Wanderungen in Chile oder ihren kaputten Boiler plaudert. Dann lieber niksen.


Fabrice Midal, „Der Alltags-Chillosoph. 40 kluge Pausen“ (dtv), 221 S.

Jenny Odell, „Nichts tun. Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen“ (C.H.Beck), 304 S.

Albert Kitzler, „Nur die Ruhe! Einfach gut leben mit Philosophie“ (Droemer), 240 S.

Claudia Hammond, „Die Kunst des Ausruhens. Wie man echte Erholung findet“ (DuMont), 324 S.
ET: 12. April