Angesichts des Klimawandels und zunehmender Umweltverschmutzung optimistisch zu bleiben ist ein Kraftakt. Doch diese vier Bücher zeigen: Veränderung ist möglich.


Willst du, dass deinetwegen ein Eisbär stirbt? Die Wege zur Bewusstmachung des ökologischen Fußabdrucks und der eigenen Verantwortung sind vielfältig, das Eisbär-Argument dürfte sich im Laufe der Jahre schon ein wenig abgenutzt haben. Doch die Absurdität dieses Arguments zeigt, wie ratlos eine Einzelperson oft angesichts der komplexen Probleme im Zusammenhang mit Klimawandel und Nachhaltigkeit sein kann. So ratlos nämlich, dass ein weit entferntes Eisbärleben ins Treffen geführt werden muss, um die weitreichende Problematik verständlich zu machen.

Fest steht: Wer zu 100 % nachhaltig leben möchte, kann eigentlich nur verlieren. Wenn nachhaltig leben bedeutet, keinem Lebewesen und keinem Ökosystem zu schaden, dann muss ein moderner Mensch Nachhaltigkeit als konstantes Scheitern begreifen. Cornelia Diesenreiter berichtet in »Nachhaltig gibt’s nicht« von ihrem eigenen und ganz persönlichen steinigen Weg, der sie über drei einschlägige Studien hin zu ihrem Unternehmen geführt hat. Schon von klein auf war ihre Verzweiflung groß: Wie lässt sich die Bequemlichkeit und der Alltag des Menschen mit einem umweltfreundlichen Lebensstil vereinbaren? Dass das ganz klar unmöglich ist, war eine schmerzliche Einsicht. Doch aufgegeben hat sie nie: Der Anruf einer Bäuerin, die ihr fünf Tonnen übrig gebliebene Wassermelonen anbot, war ihr Erweckungserlebnis. Sie gründete »Unverschwendet« und begann an einem Konzept zu arbeiten, wie sie mit Ausschussware eine von Grund auf nachhaltige Marillenmarmelade produzieren konnte. Ihr Plan gelang, Diesenreiter ist heute innovative Unternehmerin, doch zufrieden und nachhaltig bis ins kleinste Detail fühlt sie sich nicht: Bis heute quält sie der Gedanke an die unzulängliche Verpackung.

Statt einer neuen Positivbesetzung des Nachhaltigkeitsbegriffes, wie Diesenreiter es anstrebt, setzt die Britin Georgina Wilson-Powell auf das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen. In »Was ist wirklich nachhaltig?« hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, herumschwirrende Mythen zu zerstreuen, und sammelt faktenbasierte Informationen. Ihr Buch eignet sich bestens für den schuldbewussten Selbst-Check: Wie nachhaltig lebe ich wirklich? Wie lang aber die Liste mit täglich zu beachtenden Tipps ist, kann auf den ersten Blick ein wenig schockieren. Der zweite Blick verrät: Wir kochen alle nur mit Wasser, und jede und jeder von uns muss letztlich selbst über seine eigene Nachhaltigkeit im Leben entscheiden.

Was garantiert immer hilft, ist effektive Selbstkritik. Was sind die Auswirkungen meines täglichen Lebens auf die Umwelt? Nicht allen Essenstrends lohnt es sich beispielsweise zu folgen: Die gestiegene Nachfrage nach Quinoa etwa hat bewirkt, so Wilson-Powell, dass peruanische Bauern Wälder gerodet haben und Pestizide einsetzen, um ihre Erträge zu steigern und die Nachfrage zu decken. Generell schaden unsere Essensgewohnheiten der Artenvielfalt: 75 % unserer Lebensmittel stammen von nur 12 Pflanzen und 5 Tierarten. Ein Umdenken bräuchte es auch beim täglichen Gebrauch von Klopapier oder Küchenrolle: Für eine Tonne Küchenpapier werden 17 Bäume und 91.000 Liter Wasser benötigt – wiederverwendbare Tücher oder Bidets wären unweltverträglichere Lösungen.

Hurricanes, Dürrekatastrophen, Überschwemmungen: Auch wenn wir es ungern wahrhaben wollen, sind sie in vielen Teilen der Erde bereits Realität geworden, die apokalyptischen Szenarien des Klimawandels. Dass wir in Europa noch nicht mit solchen Auswirkungen zu kämpfen haben, bedeutet nicht, dass wir weiterhin die Köpfe in den Sand stecken sollten. »Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem das Wetter in jeder Jahreszeit und in jedem Land der Erde direkt mit den Veränderungen zusammenhängt, die wir in der Atmosphäre unseres Planeten verursacht haben«, schreibt Eric Holthaus in »Die Erde der Zukunft«. Er selbst begab sich 2017 wegen Klimaangst in Therapie, ein mittlerweile weit verbreitetes psychisches Phänomen. Radikal realistisch holt Holthaus seine Leser/innen auf den Boden der Tatsachen, den er in nächster Instanz zum Einsturz bringen möchte. In fiktionalen Rückblicken skizziert er die Zukunft zwischen 2020 und 2050 und schenkt uns dabei tatsächlich einen dringend benötigten Hoffnungsschimmer. Doch inwiefern ist nun die Nachhaltigkeit des Einzelnen ein Faktor?

Die französische Zeichnerin Emma stellt darauf nun die nächstlogische und zugleich alles entscheidende Frage: Wer trägt denn nun Schuld? Wer hat denn jetzt die Macht zur Veränderung – Konsument/in oder Produzent/in? Unterhaltsam, ausgesprochen zynisch und frech kritisiert Emma in ihrem Comic »Ein anderer Blick auf den Klimawandel« die oft von Unternehmen auf die Kund/innen übertragene Verantwortung und vertritt die Meinung: Die großen Konzerne sind die größten Ressourcenverschwender. Das Boykottieren einzelner Firmen alleine hat keine Wirkung, ein Systemwandel und ein allgemeines Umdenken müssen her! Das wiederum passiert nur durch steigendes Bewusstsein für die Problematik und Initiative jeder/s Einzelnen. Die endgültige Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen – Nachhaltigkeit nach eigenem Ermessen und das Wissen um den nötigen Aktivismus ist vielleicht ein guter Anfang.


Die Bücher:

Cornelia Diesenreiter, „Nachhaltig gibt’s nicht!“ (Molden), 176 S.

Georgina Wilson-Powell, „Was ist wirklich nachhaltig?“ (DK Verlag), 224 S.

Eric Holthaus, „Die Erde der Zukunft“ (HarperCollins), 272 S.

Emma, „Ein anderer Blick auf den Klimawandel“ (Unrast), 96 S.


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