Eine App, die beim Lesen verbindet? Die Gründer von bookie setzen auf Austausch – sowohl digital als auch analog – und auf Genre-Vielfalt. Wir haben Lukas von bookie zum Gespräch gebeten. Foto: privat
Euer Hauptanliegen ist es, die Leseerfahrung zu einer geteilten zu machen, Leser:innen untereinander zu connecten. Warum war dir das als Gründer so wichtig? Lesen an sich ist ja nicht gerade ein Job für zwei …
Lukas Hoffmann: Die Frage für mich ist so ein bisschen, was passiert vor der ersten Seite und nach der letzten Seite. Ich glaube, wir verspüren einfach alle, dass es schöner ist, Erfahrungen miteinander zu teilen und gleichzeitig fehlen häufig die Anknüpfungspunkte dafür. Gerade Bücher bzw. Geschichten können wunderbar genutzt werden, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, was eine der Grundideen hinter bookie war. Übergeordnet würde ich jedoch sagen, dass es unser Ziel ist, Menschen eine bessere Leseerfahrung zu geben. Das beinhaltet den sozialen Austausch rund um die Leseerfahrung, aber auch das Aufbauen und Stärken einer besseren Leseroutine und auch das Finden von passenden Büchern. Gerade die Online Buch Discovery sehe ich als eine der größten Schwächen der Buchbranche und sehe hier viel Potential für bookie.
Inwieweit hast du vor, eure App noch weiter in Richtung Vernetzung auszubauen? Gibt es besondere Features, die ihr geplant habt und die das noch steigern können?
Es ist immer wichtig zu erwähnen, dass bookie im Aufbau ist und wir ständig neue Funktionen hinzufügen. Wir haben bereits einen Freund*innen Feed entwickelt, wo man Lese-Updates und Aktivitäten von Menschen, mit denen man vernetzt ist, ausgespielt bekommt. Darüber hinaus soll es bald die Möglichkeit geben direkt mit Rezensionen und Beiträgen zu interagieren. Eines der meist gewünschten Features sind aktuell sogenannte Buddyreads. Hier sind wir aktuell noch in der Konzeption, wie genau wir ein solches Feature gestalten wollen. Das wird aber auf jeden Fall innerhalb der nächsten Monate kommen.
Neben eurer App veranstaltet ihr auch Reading Parties in verschiedenen deutschen Städten. Wie läuft so etwas ab? Warum, denkst du, gibt es da so eine große Nachfrage? Und warum braucht es neben dem digitalen Austausch dann doch auch den realen?
Wir versuchen zum einen besondere Orte zu finden, um Lesen auch in einen anderen Kontext zu bringen. Zum Beispiel haben wir bereits Leseparties in Bars oder in einer Galerie veranstaltet. Beim Ablauf versuchen wir uns immer Elemente zu überlegen, die dazu animieren, mehr in den Austausch miteinander zu gehen. Abgesehen davon gibt es aber immer ganz viel Zeit, wo man sich einen ruhigen Ort sucht und liest.
Die Nachfrage ist meiner Meinung nach so groß, weil Menschen nach authentischen Gemeinschaftserlebnissen suchen. In einer zunehmend digitalen Welt sehnen sich viele nach echten Begegnungen. Unsere Reading Parties bieten genau das – einen Raum, wo die gemeinsame Leidenschaft fürs Lesen Menschen zusammenbringt, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären.
Der reale Austausch ergänzt den digitalen perfekt. Online kann man jederzeit und überall verbunden sein, aber die unmittelbare Energie einer Gruppe von Menschen, die zusammen in einem Raum sind und über Bücher diskutieren, lässt sich digital einfach nicht vollständig reproduzieren. Diese Kombination aus digitalem und realem Austausch schafft ein viel reichhaltigeres Erlebnis.
Warst du privat immer schon in Book Clubs? Und wie bist du denn eigentlich auf die Idee gekommen, dass es bookie braucht?
Tatsächlich hatte meine Schwester während der Corona Zeit die Idee für bookie, wo uns allen der Austausch und die Verbindung zu anderen Menschen fehlte. Wir waren uns beide einig, dass Bücher wunderbar genutzt werden können, um Menschen zusammenzubringen. Und obwohl es ja auch bereits andere Buch-Apps gibt, waren wir irgendwie nicht so richtig überzeugt von dem Angebot und dachten, dass kann man doch besser machen.
Auch wenn es für dich auf der Hand liegen mag – was sind denn Vorteile davon, wenn man sich beim bzw. nach dem Lesen austauschen kann? Woher hast du deine Buchtipps in der Vergangenheit immer genommen oder nimmst du sie aktuell?
Tatsächlich viel von Freund*innen und Menschen, die ich spannend finde. Dementsprechend ist bookie ja auch so aufgebaut, dass man bei anderen in das Bücherregal gucken kann. Wir sind jetzt doch dabei, bessere Features zu bauen, die einem zeigen, welches Bücherregal zu dem eigenen Leseverhalten passt.
Der Austausch bietet enorme Vorteile: Er hilft, Bücher tiefer zu verstehen, neue Perspektiven zu entdecken und sich an Details zu erinnern, die man selbst vielleicht übersehen hat. Außerdem schafft das gemeinsame Reflektieren über eine Geschichte eine Verbindung zwischen Menschen – man teilt nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen und persönliche Assoziationen. Diese Art des Austausches kann auch dazu motivieren, mehr zu lesen, da man sich auf die anschließenden Gespräche freut.
Hast du den Eindruck, dass ihr von BookTok profitiert? Dass es da eine steigende Bereitschaft zur Digitalisierung des Leseverhaltens gibt?
Wir sind auf TikTok selbst zwar (noch) nicht sehr aktiv, profitieren aber indirekt definitiv von der BookTok-Bewegung. Sie hat das Lesen für viele junge Menschen wieder attraktiv gemacht und gezeigt, dass über Bücher auch modern und zeitgemäß gesprochen werden kann. Was wir besonders bemerken: BookTok hat die Bereitschaft erhöht, über das Lesen digital zu kommunizieren und Leseeindrücke zu teilen.
Die steigende Bereitschaft zur Digitalisierung des Leseverhaltens sehen wir eindeutig. Früher galt das Lesen oft als solitäre Aktivität, heute wollen viele Leser:innen ihre Erfahrungen vermehrt dokumentieren, teilen und darüber diskutieren. Diese Entwicklung kommt uns natürlich entgegen, da bookie genau diese Bedürfnisse adressiert.
Als junger Gründer so stark auf das Lesen zu setzen ist schon irgendwie riskant. Woher kommt dein Vertrauen, dass vor allem auch junge Leute nach wie vor (oder sogar immer häufiger) zu Büchern greifen?
Ich empfinde das gar nicht als so riskant – im Gegenteil. Die Buchbranche ist in vielen Aspekten bemerkenswert stabil, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass Menschen aufhören werden, Bücher zu lesen oder zu kaufen.
Aktuell profitieren wir sogar davon, dass junge Menschen wieder vermehrt zum Buch greifen. Das geschieht nicht isoliert, sondern geht oft Hand in Hand mit der digitalen Welt: Buch-Content auf Social Media, digitale Lese-Communities und Plattformen wie BookTok haben das Lesen neu belebt und machen es zu einem kulturellen Phänomen, das besonders junge Menschen begeistert.
Gleichzeitig sehe ich innerhalb der Buchbranche vergleichsweise wenig Bewegung, insbesondere im Startup-Bereich. Es gibt nur wenige Unternehmen, die versuchen, innovative Lösungen rund ums Lesen und den Zugang zu Büchern zu schaffen. Genau hier setzt bookie an: Wir verbinden das Beste aus der analogen und digitalen Welt, um das Lesen noch zugänglicher, inspirierender und interaktiver zu machen.
Auf bookie gibt es bisher keine klaren Genrebegrenzungen, bzw. -einordnungen, ich sehe, dass New Adult-Romane bei sehr vielen jungen Leser/innen in der Leseliste mit dabei sind. Habt ihr deinem Gefühl nach viele reine „New Adult-User:innen“?
Wir sind in den letzten Monaten ziemlich stark gewachsen und haben mittlerweile sehr unterschiedliche Leser*innengruppen bei uns vertreten, was ich besonders schön finde. In diesem Sinne haben wir auch reine New Adult-Leserinnen bei uns.
Diese Vielfalt ist für uns sehr wichtig. Es stimmt, dass New Adult-Literatur einen deutlichen Aufschwung erlebt und bei vielen unserer jüngeren Nutzerinnen beliebt ist. Gleichzeitig sehen wir aber auch, dass viele unserer User querlesen und sich nicht auf ein Genre beschränken. Neben New Adult spielen bei uns auch literarische Belletristik, moderne Klassiker und zeitgenössische Literatur eine große Rolle.
Besonders spannend finde ich, wie sich Leser*innen von Genre zu Genre bewegen und immer wieder neue Geschichten entdecken. Diese Offenheit für verschiedene Erzählweisen und Stile macht unsere Community für uns so besonders.
Wenn unsere Einschätzung stimmt, dann seid ihr in den letzten Monaten stark gewachsen, die Nutzer/innenzahlen sind gestiegen. Welche Strategie verfolgt ihr da, bzw. wie habt ihr vor, weiterzuwachsen?
Wir setzen vor allem auf organisches Wachstum und Community-Building. Unsere Nutzer:innen sind unsere besten Botschafter*innen – wenn jemand eine positive Erfahrung mit bookie macht, erzählt diese Person es Freund*innen weiter. Unsere Reading Parties und andere Community-Events spielen dabei eine wichtige Rolle.
Für die Zukunft planen wir, diesen Community-Ansatz beizubehalten und gleichzeitig gezielt mit Buchhandlungen, Verlagen und Autor:innen zusammenzuarbeiten, um mehr Leser:innen zu erreichen. Dabei ist uns wichtig, dass wir nicht um jeden Preis wachsen, sondern eine engagierte Community aufbauen, die bookie wirklich nutzt und schätzt. Qualität geht für uns vor Quantität.
Erst seit wenigen Monaten kann man über eure App auch Bücher kaufen. Inwiefern unterstützt ihr dabei auch den lokalen Buchhandel? Würdet ihr euch selbst auch als „Indie“ begreifen?
Genau, man kann bei bookie neuerdings viele der Bücher direkt bestellen. Wir wollen hier eine alternative zu den klassischen Online-Händlern bauen und unseren Nutzer*innen den Weg zum nächsten Buch möglich einfach machen.
Dabei war uns wichtig klarzustellen, dass wir keine Alternative zum lokalen Handel sind und diesen unterstützen wollen. Dementsprechend können lokale Buchläden ganz einfach bookie Partner werden und von jedem Verkauf über bookie profitieren.
So verbinden wir die Vorteile einer digitalen Plattform mit der Unterstützung des stationären Buchhandels, was uns sehr am Herzen liegt.
Ihr hebt immer wieder auch selbst Bücher hervor. Wie sehen eure Kooperationen mit Verlagen aus und nach welchen Kriterien sucht ihr sie aus?
Unsere Kooperationen mit Verlagen basieren auf einer gemeinsamen Leidenschaft für gute Bücher und innovative Wege, diese zu vermitteln. Bei der Auswahl der Bücher, die wir hervorheben, ist uns vor allem Authentizität wichtig – es müssen Bücher sein, hinter denen wir stehen und die wir selbst gerne lesen.
Wir achten darauf, eine vielfältige Mischung zu präsentieren: Werke etablierter Autor:innen ebenso wie Debüts, verschiedene Genres, unterschiedliche Perspektiven und Stimmen. Dabei berücksichtigen wir auch das Feedback und die Interessen unserer Community. Letztendlich wollen wir keine reinen Werbedeals, sondern echte Partnerschaften, die sowohl für die Verlage als auch für unsere Nutzer:innen einen Mehrwert bieten.
Wir alle haben vermutlich auch Guilty Pleasure-Lektüren. Man will ja eigentlich auch nicht all seine Lektüren in die Auslage stellen. Widerspricht das nicht ein bisschen der bookie-Idee? Ist die Leseliste nicht auch eigentlich sehr privat?
Aktuell ist bookie so gedacht, dass man selbst entscheiden kann, was man teilt und was nicht. Wir arbeiten auch bereits daran, dass man bestimme Bereiche des Profils auf privat stellen kann.
Ich glaube aber auch, dass der Begriff „Guilty Pleasure“ oft unnötige Scham transportiert. Einer der schönen Nebeneffekte von bookie ist, dass wir sehen, wie vielfältig die Lesegewohnheiten anderer sind und dass es völlig in Ordnung ist, unterschiedliche Genres zu genießen. Viele unserer Nutzer:innen berichten, dass sie durch die Plattform mutiger geworden sind, zu ihren tatsächlichen Lesevorlieben zu stehen – und das finde ich großartig.
Lukas Hoffmann kommt aus Hamburg und hat Psychologie und Ethik studiert. Er ist selbst als Creator aktiv und hat sich – auf Instagram und TikTok verteilt – Communitys mit insgesamt über 500k Follower/innen aufgebaut. Die App bookie startete er als Projekt zusammen mit seiner Schwester, die mittlerweile als Ärztin im Krankenhaus arbeitet und sich daher dagegen entschieden hat, bookie Vollzeit fortzusetzen.