Die besten Krimis für den Sommer 2023:
Jérôme Leroy
Die letzten Tage der Raubtiere
Ü: Cornelia Wend
Edition Nautilus, 400 S.
Jérôme Leroy ist Meister des noir: Der neueste ist ein ganz großer Wurf. Foto: Pascal Ito.
Bei Jérôme Leroys neuem Roman »Die letzten Tage der Raubtiere« (dt. von Cornelia Wend) müssen wir in einem nur leicht verfremdeten Frankreich von heute um das Schicksal von Clio, der schönen und klugen Tochter des grünen Umweltministers Manerville bangen. Denn die aktuelle Staatspräsidentin will nicht mehr. Die Diadochenkämpfe beginnen. Vor allem der reaktionäre Innenminister Beauséant schreckt vor nichts zurück. Nebenbei wüten Corona und Waldbrände, Gewalt herrscht auf den Straßen, die neofaschistische Rechte ist eine üble Gefahr. Clio, die Umweltaktivistin, gerät zunehmend ins Zentrum der Intrigen, die hemmungslos mittels False-Flag-Aktionen, Mordanschlägen und Massakern arbeiten.
Dennoch ist »Die letzten Tage der Raubtiere« kein Roman, der sich anhand eines Master-Plots beschreiben ließe. Die wechselnden Koalitionen, die sich andauernd verändernden Machtkonstellationen, das brutale bis grenzdebile Verhalten beinahe aller Protagonist/innen ergeben ein undurchsichtiges Alle-gegen-Alle, getrieben von Macht- und Profitgier. Transparent wird all das in seiner ganzen moralfreien Unappetitlichkeit durch Leroys großartige Inszenierung, die virtuos mit Spott und Hohn arbeitet, mit gemeinem Witz, maliziös und präzise. Es geht Leroy nicht um die letzten Tage der Menschheit, sondern um die Agonie der politischen Klasse seines Landes, die er gnadenlos, wollüstig gar, bis zur Kenntlichkeit deformiert. Das ist erschütternd amüsant und bösartig unterhaltsam, ein ganz großer Wurf.
Die besten Krimis für den Sommer 2023:
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