Zwei Tage nach meiner Geburt erschien die elfte Ausgabe des Buchkultur Magazins. Während ich gerade dabei war, mich an eine höchst unvertraute Umgebung zu gewöhnen, konnte die Leserschaft von der schwierigen Situation österreichischer Verleger lesen, die der zum Gespräch gebetene Erhard Löcker mit folgenden Worten subsumierte: „Was bleibt, ist Resignation“. Von mangelnden Subventionen liest man, von wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen und von dem Schattendasein österreichischer Verlage, deren Publikationen am deutschen Markt nicht gelesen werden – bei einer gleichzeitigen Dominanz deutscher Verlage am österreichischen Markt.

Inwiefern die prekäre Lage österreichischer Verlage im Herbst 1991 mit heute zu vergleichen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Die existentielle Bedrohung, der sich heimische Verlage ausgesetzt sahen, wurde jedenfalls letzten Oktober bei der Frankfurter Buchmesse von Barbara Jost vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels aufgegriffen, die angesichts der aktuellen Situation „fast von einem Verlagssterben sprechen“ wollte, von der insbesondere Kleinverlage betroffen seien.
Im Gegensatz zur von der Buchkultur behandelten damaligen spezifisch österreichischen Verlagskrise ist die große Herausforderung der Verleger der Gegenwart ein internationales Phänomen. Die Branche steckt, in den Worten Josts, im „Umbruch hin zur Digitalisierung“.

Die damit angesprochenen Herausforderungen für Verleger sind vielfältig. Zum einen scheint das Lesen von Büchern generell an Stellenwert zu verlieren; insbesondere das Schauen von Serien, die in viel größerer Menge produziert werden als früher und deren Konsum via Plattformen wie Netflix ähnlich flexibel geworden ist wie die Lektüre eines Buches, dürfte, so mein Gefühl, für viele ein attraktiveres Unterfangen sein: Der Binge-Watcher ist die Leseratte des 21. Jahrhunderts.

Ist das Bücherlesen für jüngere, mit dem Internet aufgewachsene Menschen unattraktiv geworden? Ist Bücherlesen nicht mehr zeitgemäß? Wenn ich einen Roman lese, begebe ich mich in eine Fantasiewelt, die sich aus Vorstellungen und Assoziationen zu dem Gelesenen zusammensetzt. Immer wieder habe ich dabei das Gefühl, dass mir die Bereitschaft dazu, die Fähigkeit oder auch die „Hingabe“ – ganz klar kann ich es nicht benennen – häufig fehlt. So stelle ich zumindest fest, dass das Eintauchen in Romane mit mehr Anstrengung verbunden ist als noch vor einigen Jahren. Eine gegenteilige Beobachtung mache ich mit Sachbüchern, die ich auch vorwiegend für Buchkultur rezensiere: Keine Mühe, kein Abschweifen, ich bin gefesselt bis zur letzten Seite. Der chronisch boomende Sachbuchmarkt legt nahe, dass es vielen anderen auch so geht. Sind wir informationssüchtig und fantasielos? Jedenfalls bin ich überzeugt: Es wird immer Menschen geben, die gerne Literatur konsumieren, und nicht alle – mich eingeschlossen – werden dabei auf E-Reader zurückgreifen wollen. Ein Aussterben der Bücher und damit der Kunstform der Literatur ist kein realistisches Szenario; eine prinzipielle Marginalisierung des Bücherlesens dagegen vielleicht schon. Gesellschaftliche Entwicklungen, so unliebsam sie einem sind, sind schwer steuerbar. Damit eine potenzielle Marginalisierung des Bücherlesens aber kein Verlagssterben zur Folge hat, was wiederum eine Reduktion der Verlagsvielfalt und damit auch der Büchervielfalt bedeutet, braucht es Subventionen und Förderungen.

Michael Horvath leitete seinen Text damals so ein: „Ist Österreich noch eine Kulturnation? Anders gefragt: Will Österreich es sich leisten, eine zu sein?“ Diese Frage scheint mir auch heute noch ausgesprochen aktuell.

Paul Hafner hat Publizistik studiert und schreibt seit 2014 für Buchkultur. Seine Lieblingsautoren sind Richard Yates, Max Frisch und Arthur Schnitzler. Noch lieber als Romane liest er allerdings Sachbücher – jeglichen Genres.