Phantastische und reale Welten verschwimmen in diesem prallen dritten Teil der »Tannenfall«-Saga.


Die kleine Tea Grigio ist ein fantasiebegabtes, Geschichten erzählendes Mädchen, das von den meisten »la pazza«, die Verrückte, genannt wird. Sie wächst in den 1970er-Jahren in armen Verhältnissen in Atrani an der italienischen Amalfiküste auf. Schicksalsschläge pflastern ihren Weg, bis sie nach der Schule die Orte ihrer Kindheit verlässt, um in Mailand Ärztin zu werden und die Psyche des Menschen zu erforschen. Ein zweiter Erzählstrang führt in das Jahr 2015, die Gegend des Semmerings. Und nach Tannenfall.

Dicht ist dieser Roman, nicht nur an Seiten, sondern an Personen, Handlungen und Themen. Bernhard Hofer schafft in seinem Buch Atmosphären voller Poesie und abgründiger Schönheit, denen die atemberaubenden Gegenden der Amalfiküste, der einsamen italienischen Alpen und des Semmerings Farbe, Düsternis und Strahlkraft verleihen. Der Autor vereint mit leichter Feder große Themen wie Familienbande, Liebe, Verlust, die Mafia, neue Technologien, die Ausbeutung von Menschen zum Zwecke der Forschung, das Klonen von Menschen sowie die Verbrechen des Nationalsozialismus zu einem stimmigen Ganzen. Von der ersten Seite an taucht man ein in dieses Verwirrspiel aus Anmut, Brutalität, Schönheit und Abgrund sowie in Lebensgeschichten voller Täuschungen. Dieser dritte Teil der breit angelegten Saga um vier Schwestern und ein altes Tagebuch steht gleichermaßen im großen Zusammenhang zu den anderen Bänden wie auch für sich allein. Phantastisch angehauchte Lektüre, die man nicht so rasch vergisst.

Bernhard Hofer
Tannenfall. Die verschwundene Welt (Teil 3)
emons, 432 S.