Als vor ein paar Tagen die Ideen zu diesem Artikel aufkam und ich für eine Erstrecherche ins Internet schaute, fanden sich zur Stichwortsuche „Online-Lesung“ zumeist Seiten der katholischen Kirche mit Hinweisen auf Online-Gottesdienste. Das hat sich dann von Tag zu Tag geändert, mittlerweile bieten immer mehr Autorinnen und Autoren, aber auch Literaturhäuser Live-Streams von Lesungen an. (Foto: Literaturhaus Salzburg)
Durch mehrere Medien ist die Online-Lesung von Saša Stanišić vom letzten Freitag gegangen: Der Träger des Deutschen Buchpreises 2019 konnte 4700 Aufrufe verzeichnen und mehrere Tausend Euro Spenden für Hilfsorganisationen einsammeln. Er hat dabei aus seinem preisgekrönten Buch „Herkunft“, dem Erzählband „Fallensteller“ und eine noch unveröffentlichte Geschichte aus seinem kommenden Kinderbuch gelesen. Für Dienstag, den 24.3. um 21 Uhr, plant er eine ähnliche Aktion. -> Link
Sehr engagiert zeigt sich das Literaturhaus Salzburg: Seit Sonntag findet dort täglich um 20 Uhr „Live-Lesen“ statt: „Wir wollen mit dieser neuen Form von Lesung die Texte und deren Verfasser auch in Zeiten der Corona-Krise im Gespräch halten, Publikum erfreuen und zum Zuhören und Nachlesen animieren.“, sagt der Literaturhaus-Chef Tomas Friedmann. Ausgestrahlt werden die (bezahlten) Lesungen auf der Facebook-Seite des Hauses, am 24.3. liest Martin Peichl, weiter geht es dann mit Mareike Fallwickl, Tanja Raich und Raoul Eisele. Man merkt schon: Hier werden österreichische Autorinnen und Autoren gefördert. Wenn das alles gut klappt, dann überlegt Friedmann, dieses Format auch in Zukunft als Zusatzangebot fortzuführen. -> Link
Dem 250. Geburtstag von Hölderlin setzte das Literaturhaus Berlin bereits ein deutliches und mehrstündiges Zeichen, unter anderem wurde der ganze „Hyperion“ von Nico Bleutge, Nora Bossong, Max Czollek, Daniela Danz, Ulrike Draesner, Durs Grünbein, Alban Nikolai Herbst, Norbert Hummelt, Kat Kaufmann, Björn Kuhligk und Madame Nielsen gelesen. -> Link. Im Web soll es aber nun weitergehen, unter dem Motto „Li-Be in Zeiten von Corona“ will man Veranstaltungen als Podcast, im Videostream oder im Freien vom Balkon aus anbieten. Gestartet ist man bereits Mitte März mit einer 90-minütigen Einführung in die Tagebücher 1917-1920 von Michail Prischwin. -> Link
Online-Angebote gibt es auch beim Literaturhaus Halle, das einzelne Lesungen im zum Studio umgebauten Grünen Salon aufzeichnet und über den eigenen Youtube-Kanal zur Verfügung stellt. Zu sehen und hören ist schon jetzt Ingo Schulze, der am 13. März mit seinem neuerlich virtuosen Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ den Startschuss machte und dabei unter anderem auch über Lutz Seiler sprach, dem heuer den Preis der Leipziger Buchmesse verliehen wurde. –> Link
Wer ebendiesen Seiler einmal live erleben möchte, der findet auf Youtube eine Aufzeichnung vom Dezember 2014 aus dem Rathaussaal seiner Heimatstadt Gera. Seiler hat aus seinem Roman-Debüt „Kruso“ gelesen, sein Text wurde damals mit dem Deutschen Buchpreis prämiert und 2018 verfilmt. -> Link
Über ein paar besondere Schmankerl aus den letzten Jahren bin ich bei meiner Recherche gestoßen, und diese möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
- Im Frühjahr 2011 ist der Debütroman von Astrid Rosenfeld „Adams Erbe“ erschienen, im Interview für die Buchkultur-Covergeschichte erzählte sie uns damals, dass sie zukünftig gerne vom Schreiben leben wolle. Ihr Wunsch ging in Erfüllung, ihre Bücher sind Bestseller und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Eine ganz frühe Lesung von ihr stammt aus dem März 2011, eine kurzweilige Lesestunde samt Fragen und Antworten vom Publikum, in der die Vergangenheit die Gegenwart durchdringt; -> Link
- Der herrlich humorvolle Martin Suter hat 2017 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg aus seinem Roman „Elefant“ gelesen – eine Empfehlung nicht nur für Suter-Kenner; -> Link
- Jonathan Safran Foer war Anfang diesen Jahres in Berlin zum Gast. Den Großen Sendesaal des rbb füllte er bis zum letzten Platz, Marie Kaiser führte das Gespräch mit ihm in englischer Sprache und übersetzte auf Deutsch, die Texte aus „Wir sind das Klima“ hat Magnus von Keil gelesen. -> Link
- Last but not least: Wer sich (so wie ich) schon auf den Film „Die Känguru-Chroniken“ nach Motiven der Bücher von Marc-Uwe Kling gefreut hat und es in den ersten Tagen bis zur coronabedingten Sperre nicht ins Kino geschafft hat, der kann seine Sucht mit einer Live-Lesung vom November 2017 befriedigen: Eine knappe Stunde liest der Autor das Beste aus drei Känguru-Bänden. -> Link