Neue Bücher über die Geschichte der Emotionen, über Vertrauen und Sensibilität, über das Leben mit sich und den Anderen: Und dass der Mensch besser ist als gedacht. Aus: Buchkultur 189, Foto: Adrian Swancar/unsplash.com


So etwas nennt man wohl sportlich. Der englische Historiker Rob Boddice benötigt für seine Geschichte der Gefühle von der Antike bis heute nur 220 Seiten plus Anhang. Emotionsgeschichte ist ein junges Thema der Geschichtsschreibung. Boddices Band ist eine gelungene Einführung in das ambitionierte Unterfangen, Gefühlsleben über mehrere tausend Jahre darzustellen. Deutlich wird, dass Fühlen stets „ein dynamisches Produkt“ war und ist. Es beruht auf Körper, Geist und deren Zusammenspiel in Zeit und Raum. Boddice nimmt sich literarische, philosophische, sozial- und mentalitätshistorische Zeugnisse über Liebe und Wut, Raserei und Ekstase, Vernunft und Unvernunft vor. Wann fehlten welche Gefühle, wann wurden diese gepriesen, jene verdammt, wann wiederum geächtete ausgelebt oder erstmals überhaupt erforscht? Eine informative Darstellung der „Politik des Glücks“.

Vertrauen wünschen sich viele, noch mehr reklamieren es für sich. Und doch ist es ganz zart. Denn Vertrauen ist flüchtig. Denkt man darüber nach, so der Philosophieordinarius Martin Hartmann, wird es dünn. Wer vertraut, macht sich verletzlich. Es ist eine „Megakategorie“, so Hartmann, „an der die politisch-ökonomische Qualität ganzer Gesellschaften hängt“. Klug dreht und wendet Hartmann das, was Vertrauen ist und entgegen gängiger Ideen andererseits nicht ist. Vertrauen ist für ihn dann interessant, wenn die Möglichkeit vorhanden ist, nicht zu vertrauen. Er geht auf dieses Grundgefühl und dessen Verlust im Finanzwesen ein, im Marketing, im Kontakt mit Behörden und denkt auch über Vertrauen und Politik nach. Wieso vertrauen wir, wann vertrauen wir und wem, wie schnell oder wie langsam? Und wann wird es zu Misstrauen? „Anderen nicht vertrauen zu können, aber unter gegebenen Umständen doch vertrauen zu müssen – das könnte die eigentliche Krise des Vertrauens in unserer Gegenwart sein, auch wenn ganz unklar ist, wie das gehen soll.“ Mit Vertrauen richtig umzugehen, bedarf Sensibilität und Empathie.

Wichtiges schultert der niederländische Historiker Rutger Bregman – die gesamte Historie der Menschheit. Er erzählt sie als kooperativen Aufstieg zum Immer Besseren. Seine selbst erklärte „radikale Idee“: „Die meisten Menschen sind gut.“ Kein Wunder, dass der 32-jährige, durch virale Internet-Videos bekannt geworden, „Robin Hood“ genannt wurde. Das will in seinem Ritt durch Tausende von Jahren bis zu den psychologisch-anthropologischen Ansichten Sigmund Freuds und dem Harvard University-Kognitionswissenschafter Steven Pinker, bekanntester Vertreter der „Die Welt ist immer besser geworden“-Theorie, nicht an allen Stellen gleichermaßen überzeugen. Dafür ist der Rahmen – von Psychologie und der Shoa, Evolutionsbiologie, Krieg bis Klimapolitik – waghalsig weit gespannt. Doch der Optimismus über Leben und Zusammenleben ist wohltuend.

Wie lassen sich in der Gegenwart die laut Bregman guten Menschen vor „geistigen Kälteschäden“ bewahren? Diese Frage stellt der Münchner Psychoanalytiker und seit 50 Jahren produktive Buchautor Wolfgang Schmidbauer. Kaltes Denken ist in seiner Darstellung der Emotionen das juristische und schuldzuschreibende, das uns als Mensch in der Bandbreite der Einfühlung reduziert. Dagegen: „Das forschende, nach vorne gerichtete Denken, die wärmende Empathie wäre das Vermögen, dessen die Gesellschaft (wieder) fähig sein müsste.“ Diesem Gegensatzpaar, dem die Rivalität von Macht und Empathie zugrunde liegt, geht er recht erhellend in Partnerschaft und Familie nach, in sozialen Gruppen, in Medien und vor Gericht, bei Helfern, bei Traumatisierungen sowie an der Schnittstelle von Justiz und Psychiatrie. Das liest sich aufschlussreich, immerhin ist Schmidbauer ein routinierter, wenn auch kein glanzvoller Stilist.


Rob Boddice, „Die Geschichte der Gefühle von der Antike bis heute“ (wbg Theiss)
Übers. v. Mirjam Stiegel, 272 S.

Rutger Bregman, „Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit“ (Rowohlt)
Übers. v. Ulrich Faure u. Gerd Busse, 480 S.

Martin Hartmann, „Vertrauen. Die unsichtbare Macht“ (S. Fischer), 304 S.

Wolfgang Schmidbauer, „Kaltes Denken, warmes Denken. Über den Gegensatz von Macht und Empathie“ (Kursbuch.edition), 232 S.