Ein Blick auf das ambivalente Verhältnis zwischen fiktionalen literarischen Vorlagen und tatsächlichem technologischen Fortschritt in der KI. Foto: Pablo Lachmann.

zuerst veröffentlicht in Buchkultur Bücherbrief, 13. Mai 2025


Dass die Big Tech des Silicon Valley Science Fiction als eine Hauptinspirationsquelle sieht, ist kein Geheimnis. Vom Metaversum bis zu Stargate ist nichts davor sicher, von Tech-CEOs uminterpretiert und mal mehr, mal weniger in die Realität umgesetzt zu werden. Dass dabei der oft warnende Aspekt der zugrundeliegenden Werke ignoriert und uns die Innovationen als Meilensteine auf dem Weg in eine bessere Zukunft verkauft werden – geschenkt.

Auch Künstliche Intelligenz reiht sich hier ein. »her«, mit diesem Posting kündigte Sam Altman, CEO von OpenAI, seinerzeit ChatGPT-4o auf X an –  nur eine von vielen Anspielungen auf den Science-Fiction-Film, in dem sich Joaquin Phoenix in eine Sprach-KI verliebt. Obwohl die KIs aus der Science Fiction meist nur am Rande unseren Claudes, ChatGPTs und Co. ähneln, bieten sich die Verweise an, und sie helfen dabei, die Produkte den Konsumenten zu vermitteln. Darüber hinaus ist fraglich, ob genKI ohne die Inspiration aus der Science Fiction überhaupt in seiner jetzigen Form entwickelt worden wäre.

Doch macht das die phantastische Literatur, gerade Science Fiction, auch anfälliger für den Einsatz von generativer KI? Ja und nein. Auf der einen Seite kämpft die Genre-Szene mit denselben Fragen wie der Rest der Literatur, wenn auch in teils anderen Ausprägungen. Im April machte beispielsweise die Convention »Krähenfee« – ein wichtiger Treffpunkt der deutschsprachigen Phantastik – von sich reden, nachdem sie erklärt hatte, unter den Ausstellenden Waren zuzulassen, bei denen in Teilen KI mit im Spiel war. Voraussetzung war lediglich eine klare Kennzeichnung dessen. Dass sie das überhaupt thematisiert, muss man ihr zugutehalten, vor Kritik hat es sie jedoch nicht geschützt.

Die grundsätzliche Haltung ist also kritisch, vor allem unter den Künstler*innen. Gleichwohl wird auch hier der KI-Einsatz sichtbar, etwa wenn es um Social-Media-Werbung, die Covergestaltung oder Give-aways wie Figurenkarten geht. Und angesichts der Breite an Tools und Funktionen, die inzwischen zur Verfügung stehen, darf angenommen werden, dass in der Textentwicklung ebenfalls in irgendeiner Form genKI zum Einsatz kommt – wenngleich womöglich nicht immer bewusst.

Aber gehen wir noch mal zurück zu den Text-zu-Bildgeneratoren: Die pompösen Bilder, mit denen insbesondere Midjourney anfangs von sich reden machte, zeigten typische Fantasy- oder Science-Fiction-Art etwa im Stil von Helge C. Balzer. Auch das denkwürdige Motiv, mit dem Jason Allen 2022 einen Wettbewerb gewann und die erste große Diskussion über generierte Kunst und Urheberrechte lostrat, lässt sich in diese Sparte einordnen. Insofern besteht zwischen Phantastik und KI-generierter Kunst eine zwiespältige Verbindung. Einerseits scheint sich hier besonders vehement an den Daten bedient worden zu sein, was die kritische Haltung vonseiten der Kunstschaffenden noch verstärkt. Andererseits hat dieser Stil wiederum viele Phantastik-Affine angesprochen; vielleicht besitzt es sogar noch mal einen größeren Reiz, sich Bilder generieren zu lassen, deren inhaltliche Elemente sich in der Realität schwerlich finden lassen.

Von der Science Fiction zur KI und zurück: Scrollt man sich heute durch die Feeds der Szene, dauert es jedenfalls nicht lange, bis man auf die ersten Bilder stößt, bei denen offensichtlich KI mit am Werke war. Und in den Werken selbst taucht sie natürlich auch weiterhin auf. Mal als Heils-, mal als Unglückbringer. Es ist eben eine zwiespältige Sache mit ihr.


Neben ihrer Tätigkeit als Mediendidaktikerin schreibt Alessandra Reß Romane, Kurzgeschichten und Sachtexte rund um Fantasy und Science Fiction. Über den Blog FragmentAnsichten berichtet sie über Entwicklungen in der Phantastik-Szene, außerdem ist sie Gründungsmitglied des Phantastik-Autor*innen-Netzwerks PAN e.V.