Der Mittelteil von Montserrat Roigs Barcelona-Trilogie in guter Erstübersetzung. Foto: Pilar Aymerich Puig
Ist es tatsächlich so, dass man manche Länder am besten durch deren Literatur versteht? Was für Peru und Mario Vargas Llosa stimmt, für J. M. Coetzee und Südafrika, für Patrick White und Australien, das gilt auch für Montserrat Roig, die 1991 mit 45 Jahren verstarb, und die Region Katalonien.
Roigs »Als wir von den Kirschen sangen« führt nach Barcelona anno 1974, die Franco-Herrschaft ist am Erodieren, der Caudillo todkrank. Natàlia Miralpeix reist erstmals nach zehn Jahren wieder in ihre Heimatstadt. Der Anarchist Salvador Puig Antich wurde hingerichtet. Natàlia war in den frühen Sechzigern Studentin, Revoluzzerin und außer Landes geflohen. Nun will sie verstehen, ihre bürgerliche Familie verstehen, die unterdrückten Schmerzen und das Schweigen, und die befreundeten und verschwägerten Ventura-Clarets. Wie färbt Politik Leben ein, wieso verbiegt man sich so schnell unter leichtem Druck? Wie bleibt man sich treu, im reißenden, oft peinigenden Fluss des Lebens, wie verhält es sich mit Prinzipien? Sinnig sind die Motti ausgesucht, so ein Satz Gabriel Ferraters: »Wir häuteten uns und hatten kein Interesse an den Fetzen der alten Haut. Wir rochen die Angst, die der Duft jenes Herbstes war …«
Nachdem in diesem Frühjahr der erste Band der Roigschen Barcelona-Trilogie erschien, »Die Frauen vom Café Nuria«, das im Original 1972 publiziert wurde, liegt nun der gleichermaßen lesenswerte Mittelteil vor, der 1977 erschien; das Finale, »Die violette Stunde«, soll im nächsten Frühjahr folgen.
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Montserrat Roig
Als wir von den Kirschen sangen
Ü: Ursula Bachhausen, Kirsten Brandt
Kunstmann, 320 S.
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