Die Werkausgabe der Zeichnerin und Karikaturistin Marie Marcks (1922–2014) anlässlich ihres 100. Geburtstages


Die einen erinnern sich noch an ihre täglichen Karikaturen in der Süddeutschen und in der FAZ, die anderen an ihre wöchentlichen oder monatlichen gezeichneten Pointen in den Zeitschriften die ZEIT, Stern, Titanic oder Brigitte. Das Merkmal der Figuren, über besonders lange Nasen zu verfügen, verstärkte die Unverwechselbarkeit des Strichs von Marie Marcks und machte ihn unvergesslich. Wie keine andere hat die Zeichnerin und Karikaturistin in der Bundesrepublik Deutschland und später im vereinten Deutschland das Politische im Alltäglichen gefunden und ausgestellt.

Nun bietet der Verlag Antje Kunstmann die Möglichkeit, bedeutende Teile ihres Werks in zwei leinengebundenen Bänden im Schuber ins Regal zu stellen und wieder und wieder herauszuholen. Und weiterzuvererben! Band 1 enthält Marcks zweiteilige, 1984 und 1989 zum ersten Mal erschienene, gezeichnete Autobiografie »Marie, es brennt!« über die Jahre 1922–1968, Band 2 eine Auswahl aus ihrem Gesamtwerk in Zeitschriften und Büchern. Darunter befindet sich auch jene Karikatur über die giftigen Abwässer der Chemiefirma Hoechst AG in den Flüssen Main und Rhein, die von der SZ abgelehnt wurde. In ihrer konsequenten Art beendete Marie Marcks damals bedauernd die jahrzehntelange Zusammenarbeit.

Bevor die Pressekarikatur nach 1945 im deutschsprachigen Raum durch die angelsächsischen Besatzer Fuß gefasst hat, arbeitete Marcks als Dekorateurin und Kalligraphin. Anders als die österreichische Malerin Maria Lassnig, die im selben Window of Opportunity, also im selben Zeitfenster tätig war, hat Marie Marcks nicht auf Kinder verzichtet und sich dennoch als Feministin verstanden. Über ihren Auftrag, für die Stuttgarter »Leistungsschau der Landesausstellung Baden-Würtemberg« die Sektion »Autozubehör« zu dekorieren, berichtet sie in der Autobiografie: »Ich setzte eine Frau – nicht auf den Kühler, sondern ans Steuer, und, als hätte ich’s geahnt, als Zubehör 5 Kinder in den Fond.« Im Vorwort zu dieser erzählt Antje Kunstmann vom Kennenlernen und der Freundschaft der beiden Frauen und zitiert ein wichtiges Statement aus einem Gespräch mit Marie Marcks im Jahr 2010, das in Band 2 abgedruckt ist: »Ich hatte fünf Kinder, drei Mädchen und zwei Jungen, und wenn es etwa um Kriegsgefahr und Wiederbewaffnung ging, waren die natürlich beim Zeichnen immer in meinem Hinterkopf. Die männlichen Kollegen brachten diese emotionale Komponente sehr viel weniger in ihre Arbeit ein; sie reflektierten und thematisierten diese ganz persönlichen Bedrohungen praktisch überhaupt nicht.«

Marie Marcks
Die große Marie Marcks
Kunstmann, 448 S.