Angesichts tiefschürfender globaler Veränderungen, die uns aufgrund des Klimawandels, aber auch durch steigende Bevölkerungszahl bevorstehen, bedarf es lösungsorientierter Denkansätze, um den kommenden Jahrzehnten entgegenzutreten.


Eine Baumarktkette befand kürzlich eine besonders graue Ecke Wiens seiner Werbeaktion würdig: Ein renovierungsbedürftiges Haus wurde von ihr vertikal begrünt – und verschönerte für wenige Wochen die triste Gegend. Auch wenn die Aktion nur zeitlich begrenzt für Aufmerksamkeit sorgen sollte: Der Gedanke dahinter war ein zukunftsweisender. In den stetig wachsenden Städten wird die Erderwärmung in Form von Überhitzung, erhöhten Feinstaubwerten und Lärmentwicklung ein immer größeres Problem. Allein der Hitzesommer 2003 kostete 70.000 Europäer/innen das Leben. Das Deutsche Architektur Museum bietet mit seinem praktischen Ratgeber »Einfach Grün. Greening the City« angewandte Anleitungen für stadtklimatische Erleichterung: Anhand von Studien legen die Herausgeber/innen dar, inwieweit begrünte Häuser nicht nur für nachweisbar kühlere Temperaturen in der Stadt sorgen, sondern sogar das Abwassernetz entlastet wird, Lärm gefiltert, Energie gespart und generell das Wohlbefinden der in den Häusern lebenden Menschen gesteigert wird. Beeindruckendes Beispiel bereits umgesetzter Begrünungen ist unter anderem die Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen. Während in ihrem Inneren Energie für 150.000 Haushalte erzeugt wird, wurde auf ihrem Dach eine Skipiste aus Gras und ein Erholungsgebiet installiert. Die Autoren liefern derart handfeste Argumente für ein Umdenken bei städtischer Architektur, dass man sich tatsächlich fragen muss, woran eine umfassendere Begrünung, wie sie in manchen Städten schon getestet wird, in unseren Breiten bisher gescheitert ist.

»Die Schätzungen zur Größe der verschiedenen Müllstrudel auf den Weltmeeren variieren stark. Der Pacific Trash Vortex, der alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, wurde mit 670 000 Quadratkilometern gemessen, aber auch schon auf eine Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometern geschätzt. Doch ganz gleich, wie groß er ist, eins steht fest: Er ist hochgradig kontaminiert.« (aus Bonnett: Zeitalter der Inseln)

Toralf Staud und Nick Reimer ahnen, woran das liegen könnte: »Klimaschutz mag wirken wie der Totalumbau des Landes. In Wahrheit sorgt er dafür, dass nicht alles völlig anders wird«, stellen sie fest und erinnern damit ein wenig an Erich Frieds: »Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.« Die Angst vor Veränderung steht paradoxerweise dem Aufhalten weiterer Veränderungen im Weg. Die beiden Journalisten liefern mit ihrer Prognose »Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird« explizit keinen Beitrag zum Klimaschutz, sie ist auch keine Aufforderung, sich der prognostizierten Erwärmung anzupassen. Stattdessen schildern sie genauestens, ähnlich wie Meteorologe Eric Holtaus in »Die Erde der Zukunft«, welches Szenario Deutschland 2050 erwarten wird, wenn es sich um zwei Grad im Verhältnis zum vorindustriellen Niveau erwärmt. Besonders alarmierend ist der Ausblick, welche Städte welches Klima zu erwarten haben: Hamburg wird klimatisch zu Pamplona, Madrid zu Marrakesch, München zu Mailand und Wien zu Skopje. »Deutschland 2050« ist ein hyperrealistischer Weckruf und – falls jemand noch einen braucht – ein Grund, sich gegen den Klimawandel zu engagieren.

Einen weniger in die Zukunft reichenden, sondern in der Gegenwart verankerten Grund liefert der Meeresbiologe und Fotograf Robert Lehmann. Auf seiner »Mission Erde« hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Schäden der Menschen zu reversieren. Der Umweltschützer, der auch eine eigene Fernsehserie aus seiner Mission kreiert hat, sagt von sich selbst, dass er sich Tieren enger verbunden fühle als den Menschen. »Sei es durch Plastikmüll im Meer, Geisternetze, Kohlendioxid, Brandrodung oder illegalen Tierhandel: Es gehört immer auch eine menschliche Komponente dazu.« Die das Buch abschließenden 40 Tipps, um die Welt zu retten, sind eher verzichtbar, die Geschichten von Lehmanns Rettung von Wildtieren, von seinen Erlebnissen im Kampf gegen die Umweltkriminalität jedoch sind durchwegs amüsant und abwechslungsreich zu lesen.

Das Amager Ressource Center – eine Müllverbrennungsanlage im industriellen Hafengebiet Kopenhagens. Die Dachfläche des 41.000 m² großen Gebäudes wird zu einem künstlichen Berg. (aus DAM: Einfach grün. Greening the City). Abb.: Rasmus Hjortshoj.

Auch Carina Wohlleben plaudert in »Die Welt ist noch zu retten« aus dem Nähkästchen ihres aktivistischen Lebens. Der Film »Cowspiracy« hat sie nachhaltig politisiert, seitdem lebt sie vegan: Ein Trend, der sich aktuellen Zahlen zufolge in Deutschland immer mehr durchsetzt. Neben Beiträgen, die nur wenig Neues zu Umweltthemen beisteuern, finden sich in ihrem Buch auch Überlegungen zur Bevölkerungsentwicklung. Konkret stellt sie eine polemisierende Frage: Dürfen wir angesichts der pessimistischen Zukunftsprognosen überhaupt guten Gewissens Kinder bekommen? Denn: »Laut Prognosen der Vereinten Nationen wird die Zahl von aktuell ca. 7,8 Milliarden bis 2100 auf knapp elf Milliarden Menschen ansteigen.« Einerseits deshalb, weil wir Menschen immer länger leben. Laut der Deutschen Stiftung für Weltbevölkerung aber geht das rasante Wachstum vor allem auf Entwicklungsländer zurück. Eine Lösung präsentiert an dieser Stelle der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung: »Gesundheitsversorgung, Bildung und ausreichend Arbeitsplätze. Wenn diese drei Faktoren für die Bevölkerung gut zugänglich sind, dann entscheiden sich die Menschen freiwillig für kleinere Familien.« In Äthiopien habe sich ein solches Programm bereits als erfolgreich bewiesen. In ihrem Fazit setzt die Mitarbeiterin einer »Waldakademie« sogar ganz im Gegenteil auf die nächste Generation: Wenn wir unsere Kinder ausreichend aufklären, dann wird das Umweltbewusstsein sehr bald schon Normalität, so Wohllebens hoffnungsvoller Ausblick.

Robert Marc Lehmann fotografiert seine Gruppe »The Operatives« beim Schutz von Orang-Utan-Waisen auf Borneo. Die Palmölindustrie vernichtet dort das, was Wilderer übrig gelassen haben. (aus Robert Marc Lehmann: Mission Erde)

Metropolen platzen aus allen Nähten, Überbevölkerung ist in vielen Teilen der Welt bereits Realität. Viele Nationen haben sich daher auf den künstlichen Inselbau verlegt. In Dubai etwa ist das längstens gang und gäbe, doch sind Gebilde im Meer wie »The Palm« und »The World« ausschließlich Superreichen vorbehalten, und ein bitterer Nachgeschmack stellt sich ein ob der südasiatischen Unterschicht, die dafür in sengender Hitze schuftet. Warum wir im »Zeitalter der Inseln« leben, davon schreibt Alastair Bonnett in dem wohl außergewöhnlichsten der hier vorgestellten Sachbücher. Inseln sind das A und O der Menschheitsgeschichte, in ihnen vereinen sich menschliche Sehnsüchte nach Autonomie, Sicherheit, Ausblick und paradiesischen Zuständen, davon handeln nicht zuletzt literarische Hommagen wie D. H. Lawrence’ »Der Mann, der Inseln liebte«. Zugleich manifestiert sich parallel zum unermüdlichen Bau neuer, exklusiver Inseln nirgends so deutlich der Klimawandel: Die Liste der verschwundenen Inseln durch den steigenden Meeresspiegel ist lang. So werden »sämtliche 1190 Inseln, aus denen die Malediven bestehen, bis zum Jahr 2100 untergegangen sein«. Auf der anderen Seite wurde in den 1950er- und 60er-Jahren für den niederländischen »Flevopolder« dem Meer Land- und Wohnfläche abgerungen, bis heute ein durchaus vorbildhaftes Projekt. Der Ort jedoch, an dem sich die Problematik anschaulich entzündet, an dem alte, untergehende Inseln auf neue stoßen, ist Panama. Bonnett schreibt: »Panama ist die Brücke zwischen den Amerikas und weist eine markante Trennlinie auf: Auf der Pazifikseite werden künstliche Inseln für Millionäre hingezaubert, während siebzig Kilometer weiter östlich Subsistenz-Bauern mitansehen müssen, wie ihre angestammten Inseln im Meer versinken.« Die Kuna-Indigenen kämpfen hier um das Bestehen der San-Blas-Inseln im Osten. Bonnett hat sie besucht: »Was sich hier abspielt, ist Panik in Zeitlupe. Die Kuna sind sich selbst überlassen und müssen mit einer Katastrophe zurechtkommen, für die sie nichts können, die aber ihr Leben völlig auf den Kopf stellt.« An kaum einem anderen Ort offenbart sich unsere Krise, kaum ein anderer Ort bringt zu Bewusstsein, dass der Anstieg der Weltmeere tatsächlich uns betrifft. Grundsätzlich aber, so ein Fazit mit Hoffnungsschimmer, ist der Bau von Inseln, oder gar die Besiedlung des Meeres durch »Seasteading«, der Schaffung von nationenunabhängigem Wohn- und Lebensraum auf dem Meer, durchaus zukunftsfähig – solange es umweltbewusst umgesetzt wird.

Ein weiterer, bislang unbekannter Ansatz, um dem Klimawandel gegenzusteuern, ist der Einsatz von Pflanzenkohle. Durch den sogenannten »Drawdown-Effekt« entzieht Pflanzenkohle Kohlenstoff – Albert Bates und Kathleen Draper werten in »Cool down!« den Ruf von Kohlenstoff auf. Natürlich bleiben nötige Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen unerlässlich, und neben der Nutzbarmachung von Kohlenstoff in Form eines langzeitstabilen Feststoffes wie Pflanzenkohle sind auch Aufforstung und nachhaltiger Humusaufbau Schlüsselelemente zum Stoppen der Erderwärmung. Mit dem in Pflanzenkohle gebundenen Kohlenstoff lassen sich jedenfalls allerhand spannende Produkte wie Treibstoff, Kühlmittel, Baumaterial und Pflegeprodukte herstellen, wozu dieses wissenschaftlich informative Buch zukunftswirksame Tipps liefert.

Fazit

Auch die bevorstehenden Bundestagswahlen in Deutschland weisen in die Zukunft: Welche Zukunftsängste überwiegen? Klimawandel, Flüchlingsbewegungen, Arbeitsplatzmangel und Umweltkatastophen schweben drohend über den nächsten Jahrzehnten. Der Mensch entwickelt sich und seine Technologie unaufhaltsam, alte, dualistische Denkmuster werden gesprengt, Texte können mittlerweile von einer Künstlichen Intelligenz verfasst werden. Doch aus alten Denkmustern auszubrechen ist bloß ein erster Schritt. Es gilt zunächst, das zerrüttete Verhältnis von Mensch und Natur wiederherzustellen und genau hinzusehen: Viele Lösungen für unsere Probleme bietet die uns umgebende Natur. Letztendlich liegt es an uns, an der Gesellschaft, ob wir positive Bilder der Zukunft evozieren oder in eine düstere Untergangsstimmung verfallen. »Lasst uns Utopien träumen!«, so der Aufruf von Lui­sa Neubauer. Und so ernüchternd die Erkenntnis ist, dass wir selbst es sind, die die Zukunft formen, so mutmachend ist sie zugleich auch. Die globalen Lösungsansätze zeugen von der Kreativität, der Erfindungsfreude und der Vielfalt solcher Ansätze. Denn zur Veränderung braucht es schließlich Mut.

Beitrag zuerst erschienen als Teil des Schwerpunkts »Unsere Zukunft lesen« in Buchkultur 196, Juni 2021. Titelfoto: Yiorgis Gerolymbos, Tower 25 – The White Walls, Ateliers Jean Nouvel, Nikosia, Republik Zypern, 2015.

Strobl, Schmal, Scheuermann (Hg.)
Einfach Grün. Greening the City
Deutsches Architektur Museum, 304 S.

Nick Reimer, Toralf Staud
Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird
Kiepenheuer & Witsch, 384 S.

Robert Lehmann
Mission Erde. Die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen
Ludwig, 368 S.

Carina Wohlleben
Die Welt ist noch zu retten. Konsum reduzieren, Lebensqualität gewinnen, die Klimabilanz verbessern. Für unsere Kinder: Sinneswandel statt Klimawandel
Ludwig, 224 S.

Alastair Bonnett
Das Zeitalter der Inseln. Von untergehenden Paradiesen und künstlichen Archipelen
C.H.Beck, 246 S.

Albert Bates, Kathleen Draper
Cool Down! Mit Pflanzenkohle die Klimakrise lösen?
oekom, 352 S.

Jan Goldin, Robert Muggah
Atlas der Zukunft. 100 Karten, um die nächsten 100 Jahre zu überleben
DuMont, 512 S.