Zum Teil erstmals erschienen: Erzählungen von Maria Lazar. Foto: Exilbibliothek Literaturhaus Wien

Aus: Buchkultur 220, Juni 2025


Es war das goldene Zeitalter des Detektivromans angloamerikanischer Prägung, in dem Maria Lazar ihre Kurzgeschichten schrieb. Die Texte der jüdischen Wienerin (1895–1948), verfasst in den düsteren Spätdreißigern und Vierzigern des vorigen Jahrhunderts und von Albert C. Eibl nun gesammelt herausgegeben, gehören selbst zwar nicht diesem Genre an, kokettieren aber spielerisch mit der Faszination, die es auslöste. »Lesen Sie etwas Vernünftiges!«, heißt es einmal, sprich: nicht diese elendigen Krimis. 31 Erzählungen fasst »Gedankenstrahlen«, viele davon ergötzen sich an einer so grotesken Versuchsanordnung wie die titelgebende erste: »Sehr geehrter Herr!«, heißt es da in einem Erpresserbrief. »Wir werden Sie nicht erschießen. Ohne uns der groben Materie bedienen zu müssen, sind wir imstande durch intensive Gedankenstrahlen zu töten.« Andernorts stalkt eine ältliche Verkäuferin ihren Parfumvertreter, entdeckt ein Chefredakteur den Nachruf seiner Mitarbeiter auf sich selbst und treiben ein Ehemann und seine Frau ihre vermeintliche Gottesfurcht auf die Spitze. Sensationsgier und menschliche Schwäche interessierten Lazar, beliebte Schauplätze sind Hausgemeinschaften, Pensionen und Hotels. In deren einem meint ein Schriftsteller, von seiner eigenen Figur verfolgt zu werden, und in mehr als einem passiert die eine oder andere von Mord. Manchen Texten, die zu ihren Lebzeiten nicht publiziert wurden, merkt man den fehlenden letzten Schliff an, während die meisten voller witziger und origineller Gedanken strahlen.

Maria Lazar
Gedankenstrahlen
dvb, 380 S.