Ich bin seit 14 Jahren Buchhändlerin und stelle mit Staunen fest, dass ich bislang nie Langeweile in meinem Beruf verspürt habe. Abgesehen davon, dass ich ständig von Büchern umgeben bin, ist der Job sehr abwechslungsreich: untertags über Bücher reden, verkaufen, Neuerscheinungen sichten und abends Lesungen. Im tiempo nuevo in der Taborstraße veranstalten wir außerdem seit einiger Zeit jeden Donnerstag den „Aperitivo“ mit Livemusik.
Mein Leseverhalten hat sich durch die Digitalisierung sicherlich ein wenig verändert – intuitiv greife ich eher zu dünneren Büchern als früher. Was ich am Lesen nach wie vor sehr schätze, ist eine selbstvergessene Versunkenheit. Und natürlich das haptische Erlebnis. Meine kleine Bibliothek ist für mich auch eine Art Erinnerungsalbum – wenn ich vorm Regal stehe und ein Buch in die Hand nehme, das ich vor zehn Jahren gelesen habe, denke ich auch an diese Zeit. Lesen bedeutet für mich vielleicht mehr denn je auch Entschleunigung. Im Arbeitsalltag sieht das natürlich etwas anders aus. Die Bücher liegen nicht mehr lange in den Buchhandlungen und gelten schnell als veraltet. Es ist eine regelrechte Flut an Neuerscheinungen, und ich habe oft das Gefühl, dass ich mit dem Lesen nicht nachkomme. Sobald wir die Neuerscheinungen halbwegs gesichtet haben, kommt schon wieder das nächste Programm.
Seit ich zusätzlich in einem Verlag arbeite, wo ich mich vor allem um die Presse und die Veranstaltungsorganisation kümmere, habe ich die Buchbranche von einer neuen Seite kennengelernt. Jetzt darf ich die Bücher von der Produktion bis zum Verkauf begleiten. Ich kann mir keinen schöneren Beruf vorstellen! Umgeben von wunderbaren Büchern, die darauf warten, entdeckt und gelesen zu werden.
Laila Youssef ist gelernte Buchhändlerin und hat einen Bakkalaureatsabschluss in Psychotherapiewissenschaften.