Die Wiener Buchbranche ist klein und familiär – es ist tatsächlich so, dass nahezu jede*r jede*n kennt oder man einander zumindest schon bei Branchen-Events getroffen hat.

Ich selbst bin seit Herbst 2013 in meiner persönlichen Lieblingsbranche tätig und arbeite in einer Buchhandlung im Herzen Wiens. Schon seit meiner Kindheit liebe ich die Literatur und Lesen gehört für mich schon lange zu den wichtigsten Dingen im Leben. Mittlerweile möchte ich fast sagen, dass Literatur die Liebe meines Lebens ist, denn es ist eine innige Beziehung in die ich leidenschaftlich gerne den Großteil meiner Zeit investiere und dafür gibt es viele Gründe.

Der besondere Reiz an Literatur ist für mich ihre Vielschichtigkeit: zu jedem Thema gibt es Bücher zu entdecken und wie kaum ein anderes Medium schafft es das Buch den Intellekt und die Kreativität zu fordern. Besonders schön ist es, wenn bei der Lektüre lebendige Bilder im Kopf entstehen: Reisen im Kopf gehören für mich, seit mir als Kind von meinen Großeltern vorgelesen wurde, zu den schönsten Aspekten des Lesens. Die Kraft, die Bücher entfalten können, zeigt sich für mich aber auch an anderen Qualitäten: Bücher können mitreißend und kritisch sein und Leser*innen dazu bringen ihre Einstellungen und Ansichten zu überdenken. In dieser Hinsicht empfinde ich die Lektüre eines Textes um einiges kraftvoller als Bildmaterial: Fotografien, Filme, Serien oder Dokumentarfilme können mich zwar auch berühren, nachhaltig beeindruckt bin ich aber meistens nicht. Bücher dagegen wirken oft so stark auf mich, dass sie sich in mein Gedächtnis einbrennen; in seltenen Fällen bleiben sie mir in Erinnerung, weil sie grottenschlecht waren, meistens, weil sie mich auf eine bestimmte Art faszinieren und berühren konnten. Manchmal kippe ich so in Bücher hinein, dass ich thematisch ähnliche Texte nacheinander lese und versuche diese miteinander in Verbindung zu setzen. Eine weitere Besonderheit von Literatur ist für mich der (Ent-)Spannungseffekt: keine Beschäftigung kann so einnehmend und gleichzeitig so entschleunigend sein wie die Lektüre eines Buches. Lesen ist eine bewusste Entscheidung dafür, sich mit Dingen und Themen auseinanderzusetzen, die nicht unbedingt etwas mit dem eigenen Alltag zu tun haben und verschafft Leser*nnen so eine Auszeit vom Leben.

„Meine Sehnsucht nach hochwertig verarbeiteten Medien stillen nur Bücher.“

Bücher können zudem bestechend schön sein: farbiger Schnitt, Dünndruckpapier oder leicht aufgerautes Papier, Lesebändchen, leinengebunden und mit Schuber sind nur ein paar ausgewählte Eigenschaften schöner Bücher. Optik und Haptik eines Buches, können mich – in Kombination mit dem passenden Inhalt – zum Schmelzen bringen. Meine Sehnsucht nach hochwertig verarbeiteten Medien stillen nur Bücher: ein schön gemachtes Buch hat man für die Ewigkeit und man kann sich immer wieder daran erfreuen, sei es an der Optik oder an dessen Inhalt. Die Befürchtung, dass Bücher von Computer, Smartphone und anderen digitalen Medien verdrängt werden, teile ich daher nicht. Bücher bieten ein sinnliches Erlebnis auf vielen Ebenen, das digitale Medien nicht ersetzen können. In einem Buch das Papier zu befühlen, umzublättern, den Umschlag abnehmen zu können, etwas in der Hand zu haben und zu spüren: das alles gehört für mich neben dem Text an sich zu einem erfüllten Lesegenuss. Dasselbe konnte ich auch bei meinen kleinen Schwestern (16 und 19) beobachten: beide lesen zwar viel am Smartphone oder am Laptop, aber je älter sie werden, desto mehr kehren sie zu Büchern in gedruckter Form zurück.

Adrienne Pötschner, in Wien geboren. Nach der Matura probierte sie unterschiedliche Studien aus und landete schließlich 2013 im Buchhandel, dem ihr Herz voll und ganz gehört. Nebenbei studiert sie Vergleichende Literaturwissenschaft.