Auch das seltsame Sujet des Innenlebens eines Profifußballers kann zu Literatur werden; Tonio Schachinger schreibt sich mit „Nicht wie ihr“ in die österreichische Mentalitätsgeschichte ein.
Der österreichische Fußballer Marko Arnautovic hat kürzlich in Interviews seine unbedingte Loyalität zur Nationalmannschaft bekräftigen müssen – wegen seiner serbischen Wurzeln, wegen seines Bad-Boy-Images mit einigen Skandalen. Nun ist er insgeheim das Vorbild für Tonio Schachingers „Nicht wie ihr“. Um Fragen der Identität und Sinnsuche als freischaffender Fußballstar geht es im ungemein lesbaren Debüt eines Autors, der sich in Sachen Identitätssuche als Sohn eines Diplomaten und einer Künstlerin mit mexikanischen und ecuadorianischen Wurzeln bestens auskennt. Sein Held Ivo Trifunovic ist eigentlich eine österreichische Erfolgsgeschichte, und doch denkt er – mittlerweile 100.000 Euro in der Woche verdienend – voller Reminiszenzen an seine Zeit als Bolzplatzkicker in einem der vielen Wiener Käfige zurück; dazu passt seine kurzfristig aufregende Affäre mit einer Jugendliebe, die letztlich im Fiasko endet, da der traurige Ivo Angst vor der eigenen Courage bekommt, allen Balkan-Attitüden zum Trotz. Die wahnsinnig hübsche Ehefrau, die Kinder, das gute Leben, es gibt einfach zu viel zu verlieren. So gut Schachinger zu unterhalten weiß, so kratzt sein Fußballer doch hart am Klischee, Stichwort „Zwei Euro fürs Phrasenschwein“. Dazwischen eingestreut überraschen philosophische Sentenzen, die eher dem Autor als dem einfach gestrickten Ivo zugeschrieben werden können, das sind dann die Grenzen der Figurensprache. Aber wenn schon ein Fußballer zu Wort kommt, dann eben authentisch: „Hurensohn, Oida.“
Tonio Schachinger, „Nicht wie ihr“ (Kremayr & Scheriau), 302 S.
Aus: Buchkultur Thema Österreich Herbst 2019