Krimifans werden den Titel zu Ende lesen, man will es schon wissen – auch wenn der Roman vollkommen überfrachtet ist. Das ist schade, denn der Kern ist relevant. Foto: emons.


Tim Pieper, ausgebildet in Älterer und Neuerer deutscher Literatur sowie in der Juristerei, ist ein erfahrener Krimi-Schriftsteller, der auf sechs Havel- und zwei historische Krimis verweisen kann. Der aktuelle Titel »Die Mündung« verlangt Leser/innen Goodwill bezüglich der Hauptprotagonistin ab, die zu sehr das Heldinnengenre bedient. Grundsätzlich ist das Personal durchwachsen gezeichnet, während die einen tiefenscharf und glaubwürdig agieren, bleiben andere Figuren seltsam flach und klischiert.

Den Ausgang nimmt die Handlung im hohen Norden auf See, wo ein Segler ertrinkt, der von Lena Funke, der jungen Kommissarin, die sich auf einer einsamen Vogelinsel eine Auszeit nimmt, gefunden wird. Lena ist nach der Ermordung ihrer Schwester, die dem als Gezeitenmörder titulierten Serientäter als eines der Opfer zuzurechnen ist, in einer psychisch angeschlagenen Situation, nimmt aber trotzdem die Ermittlungen wieder auf und will den bislang unbekannten Mörder finden. Wie es so schön heißt, überschlagen sich die Ereignisse – und es ist zu viel des Guten: Ermittlungsfehler, Intrige, Korruption, Spionage, psychische und physische Krankheit, kaputte Familienzusammenhänge. Dabei ist der Kern des Plots nicht nur spannend angelegt, sondern geradezu beunruhigend, und das nicht bloß auf der literarischen Ebene. Es wird keinesfalls gespoilert – nur so viel: Es hätte völlig ausgereicht, sich auf das eigentliche Thema zu fokussieren und das Zuviel an Beiwerk abzuspecken. Der Ansatz ist höchst brisant.

Tim Pieper
Die Mündung
emons, 384 S.