Joachim B. Schmidts Roman-Fortsetzung um Kalmann aus Raufarhöfn ist – Korrektomundo! – so warmherzig wie der Vorgängerband.


Kalmann Óðinnson müsste eigentlich Kalmann Quentinsson heißen nach seinem amerikanischen Vater Quentin Boatwrite, einem US-Soldaten, laut Kalmanns Mutter nur »der Samenspender«. Kalmann ist Mitte 30, etwas langsam im Kopf und (Ex-)Haifischjäger, der Letzte in Raufarhöfn, ausgesprochen »Reuwarhöbb«, einem winzigen abgelegenen Ort im Norden Islands, 609 km entfernt von der Hauptstadt Reykjavík. Kalmann – Lieblingsbeschäftigung neben dem Fischen: TV-Datingshows schauen, Hamburger und Popcorn essen – ist Single. Er hatte seinen ersten Auftritt 2020 in »Kalmann«, dem mit dem Crime Cologne Award gekürten Band des Bündner Autors Joachim B. Schmidt, der seit 20 Jahren auf Island lebt. Nun ist Kalmann, der Sheriff von Raufarhöfn auf Island, mit Cowboyhut, Sheriffstern, aber wegen entzogener Waffenlizenz ohne Mauserpistole, wieder da. Und sitzt gleich zu Beginn des Romans in einem Verhörraum eines gewaltigen Gebäudes. Agenten des FBI haben ihn verhaftet. Was ist passiert?

Bis dahin ist einiges passiert. Kalmanns dementer Großvater ist gestorben. Das Hotel in Raufarhöfn hat den Besitzer gewechselt. Die lokale Fischereiquote ist gestiegen. Kalmann hatte einen Aufshilfsjob in einer Shoppingmall in Akureyri und ein traumatisches Erlebnis mit einem Eisbären. Tod und Begräbnis des Großvaters werden ausführlich beschrieben; und die Folgen für Kalmann und seinen Alltag. Überraschend taucht Freund Nói digital wieder auf. Dann schickt ihm nach Jahren sein Vater einen Brief, lädt ihn zu sich nach West Virginia ein – und Kalmanns Mutter findet die Idee sehr gut. In den USA lernt er neue Verwandte kennen. Am 6. Januar 2021 wird Kalmann von diesen mitgenommen nach Washington D.C. und mitgerissen in den Sturm aufs Kapitol, verhaftet, verhört, postwendend nach Hause geschickt. Das FBI hat ihm noch enthüllt, dass sein Großvater Óðin bei ihnen als russischer Spion aktenkundig sei. Zu Hause lässt ihn Nóis Hypothese nicht mehr los, Óðins Tod sei kein natürlicher gewesen. Und dann sieht er auf Überwachungsaufnahmen des Heims vom Todestag seine Großtante Telma, die einst auch Kommunistin war. Und einen alten Mitstreiter findet er auch, erschossen. Was zu einem montanen Shootout führt.

Von Anfang an schlägt Schmidt einen täuschend leichten Plauderton an. Täuschend, weil Kalmann gleich zu Anfang behauptet, er habe schon zu Schulzeiten eingestanden, der Dümmste zu sein und im Kopf Fischsuppe zu haben. Neuerlich ist dies herzwärmender Lesestoff für bis dato gammelhaifreie binnenkontinentale Nachmittage.

Joachim B. Schmidt
Kalmann und der schlafende Berg
Diogenes, 304 S.