Herbert Kapfers »Der Planet diskreter Liebe« über Macht, Lust und Utopie. Foto: privat


Herbert Kapfer, Jahrgang 1954, ist Autor und Hörspielproduzent und war bis 2017 Hörspielleiter des Bayerischen Rundfunks. Nach der preisgekrönten tollen Prosa »1919. Fiktion«, ein Erzählstrom mit 123 Kapiteln unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, erscheint nun mit »Der Planet diskreter Liebe« ein neues Werk. Im Fokus stehen die etwa 20jährigen Bea und Kai, Mitglieder der Kommune kollektiv 7 in München 1975. Bea ist Anhängerin des Öko-Feminismus nach Françoise d’Eaubonne, während Kai ein glühender Verehrer von Rolf Dieter Brinkmann und Charles Fourier ist. Eines Nachmittags kommen sie zusammen – allerdings anders, als Kai es sich erhofft hat: Sie als Herrin, er als Sexsklave. Bis dahin hat Kai nicht gewusst, dass ihn dieses Spiel reizt, und unterwirft sich Bea freiwillig. In der folgenden Kollektivsitzung zeigt sich, dass ihre »Zweierbeziehung« die Gruppe zerstört. Die Kommunarden setzen sich eine Frist von einer Woche, um zu entscheiden, ob das Kollektiv weiterbestehen kann. Autor Kapfer lässt die intellektuelle Atmosphäre der 70er Jahre lebendig werden, indem er die damals in der Sponti-Szene verbreiteten Theorien zitiert und zeigt, wie junge Menschen sie umzusetzen versuchten – gerade auch in ihrer Sexualität. Ähnlich wie in Pasolinis »Die 120 Tage von Sodom« wird die Herrin-Sklave-Beziehung theoretisch und literarisch untermauert, meist durch radikal-feministische Texte, was einer Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nach Fourier widerspricht. Ein Paradox, das die Leser/innen herausfordert. Kurz: Um es wie die Herrin Bea zu sagen: »Lob. Lob!«

Herbert Kapfer
Der Planet diskreter Liebe
Kunstmann, 224 Seiten