In Joshua Groß‘ neuem Roman schlendert man dank Gras entspannt über Abgründe und bewegt sich durch Paralleluniversen.

Rapper können flexen. Der Tempomat flext bei 90, „Flex“ sind Drogen, flexen ist Geschlechtsverkehr haben, flexen ist pure Prahlerei. Und „Flexen in Miami“ ist der neue Roman von Joshua Groß. Joshua heißt auch die Person, die durch Miami flext, aber alles gechillt. Bei den Mengen an Marihuana gibt es bestimmt keinen Grund zur Eile.
Willkommen in der entrückten Welt. Joshua hat von der „Rhoxus Foundation“ ein Schreib-Stipendium bekommen und verbringt seine Tage jetzt so, wie er sie sich vermutlich schöner nicht vorstellen könnte: Kiffend, Espresso trinkend und Astronautennahrung zu sich nehmend am Balkon seines dauerunterkühlten Apartments. Geld wird über Drohnen geliefert, Existenzsorgen ausgeschlossen. Immer wieder taucht zwar auch eine Drohne auf, die ihn filmt und verfolgt, aber was soll’s, es gibt Schlimmeres, der Krieg gegen sie geht in der drogengeschwängerten Hitze unter, und überhaupt verschwimmt alles in diesem übersteuerten Text.

Die Meeresbiologin Claire lernt er via Kiss Cam beim Spiel der Miami Heat kennen und nimmt gleich bei der ersten Begegnung vorweg, wo die Sache mit ihr enden wird, nämlich in der Psychiatrie in Orlando. Man ahnt das Fahrwasser. Auf einem Kreuzfahrtschiff irgendwo in der Nähe von Nassau findet sie schließlich heraus, dass sie schwanger ist und ab jetzt mit 4 Armen isst. Das heißt: Der Abgrund, der sie selbst ist, muss wohl für die nächsten 9 Monate auf Antidepressiva verzichten. Aber wer weiß, vielleicht ist auch der Rapper Jellyfish P der Vater. Dieser macht sich nach Claires Verschwinden gemeinsam mit Joshua auf die Suche nach einem Beweis für eine Parallelwelt. Denn er ist überzeugt davon, dass in uns allen Doppelgänger leben. Warum auch nicht? Zwischen rosa Pillen und im Meer freigelassenen Reinigungsrobotern wird eifrig das Computerspiel Cloud Control gespielt. Aber auch das ist natürlich nicht, was es sein sollte: Spams haben darin die Macht übernommen und um sich selbst vor dem Einfrieren zu schützen, muss man die Spams, die aussehen, wie seine engsten Freunde, gnadenlos abknallen.

Klingt alles nicht logisch? Ist es auch nicht. Der Roman fordert ein absolutes Sich-Einlassen auf diese gefühlte Ewigkeit, in der er spielt. Seine Protagonisten „schlurchen“ durch die Gegend, Prokrastinieren ist ihre Kunst. In einem beiläufigen Ton, der alle Absurditäten selbstverständlich normal dastehen lässt – und dabei fast wie eine Übersetzung aus dem Englischen wirkt (muttergefickt!) – spult Joshua Groß diese Geschichte einer komplett enthobenen Welt ab. Deepness sickert dann durch, wenn Joshua von seinem besten Freund dem Kühlschrank Küsse geschickt bekommt, wenn er sich vor Liebeskummer von der Sonne verbrennen lässt, oder wenn er Poesie twittert wie: „Die Dachrinnen haben keinen Speicherplatz mehr, so wie meine Hoden beim Schmusen.“ Groß verbildlicht in diesem hyper-modernen Roman: Wo die Realität in der Fantasie aufblitzt, stürzt das Imaginäre ab.

Joshua Groß, „Flexen in Miami“ (Matthes & Seitz), 199 S.